Ein bündiger Überblick: Das neue Fahreignungs-Bewertungssystem

Artikel aus Newsletter Ausgabe 14, November 2013

Die Bundesregierung hat die seit 2010 betriebene Reform des Mehrfachtäter-Punktsystems und des Verkehrszentralregisters noch in der abgelaufenen Legislaturperiode zum Abschluss gebracht. Die Neuerungen werden am 01.05.2014 in Kraft treten. Offen ist nur noch die im Vermittlungsverfahren durch den Bund zugesagte Ergänzung der FeV, mit der Anforderungen an die Qualitätssicherungssysteme und Regeln für die Durchführung der Qualitätssicherung der neuen Fahreignungsseminare festgelegt werden sollen. 

Die Reform bewirkt eine Umbenennung des Verkehrszentralregisters in Fahreignungsregister und des Mehrfachtäter-Punktsystems in Fahreignungs-Bewertungssystem. Die Verwarnungsgeldobergrenze wird von bisher 35 € auf 55 € und darauf folgend die Eintragungsgrenze bei Ordnungswidrigkeiten von 40 € auf 60 € angehoben. 

Im Fokus: Sicherheitsrelevante Verstöße

Künftig werden nur noch diejenigen Verkehrszuwiderhandlungen für das Punktsystem berücksichtigt, die ausdrücklich in Anlage 13 FeV als in das Register einzutragende Straftaten und Ordnungswidrigkeiten genannt werden. Die einzutragenden Straftaten und Ordnungswidrigkeiten werden im Wesentlichen auf unmittelbar verkehrssicherheitsrelevante Zuwiderhandlungen beschränkt. Verstöße werden ab 01.05.2014 mit ein, zwei oder drei (neuen) Punkten bewertet. Mit drei Punkten werden Straftaten bewertet, deren Ahndung mit einer Entziehung der Fahrerlaubnis oder der Anordnung einer Sperre durch das Strafgericht verbunden war. Zwei Punkte erhalten andere Straftaten und besonders schwere Ordnungswidrigkeiten. Mit einem Punkt werden weniger schwerwiegende Ordnungswidrigkeiten bewertet.

Tilgungshemmung entfällt 

Die Tilgungshemmung im Register wird abgeschafft. Zum Ausgleich werden die Tilgungsfristen verlängert: Straftaten mit Entziehung der Fahrerlaubnis oder Anordnung einer Sperre 10 Jahre, andere Straftaten und besonders schwere Ordnungswidrigkeiten 5 Jahre, weniger schwere Ordnungswidrigkeiten 2 Jahre und 6 Monate. Alle Punkte werden gelöscht, wenn die Fahrerlaubnis nach Entziehung neu erteilt wird (Ausnahmen: Entziehung der Fahrerlaubnis nach § 2a Absatz 3, Verlängerung einer Fahrerlaubnis und Erteilung nach Erlöschen einer befristet erteilten Fahrerlaubnis), nicht wie bisher mit der Entziehung. Anders als bisher werden die Punkte künftig auch gelöscht, wenn die Fahrerlaubnis nach vorangegangenem Verzicht auf die Fahrerlaubnis neu erteilt wird. Für die Neuerteilung nach Verzicht gilt aber eine Sperrfrist von 6 Monaten, wenn zum Zeitpunkt der Wirksamkeit des Verzichts mindestens zwei Entscheidungen über Straftaten oder Ordnungswidrigkeiten im Fahreignungsregister vorhanden waren; in der Regel ist dann vor Neuerteilung der Fahrerlaubnis eine MPU anzuordnen. Damit soll verhindert werden, dass Punktesünder sich durch einfachen Verzicht auf die Fahrerlaubnis von allen Punkten befreien und danach sofort eine neue Fahrerlaubnis erhalten.

Die Maßnahmen 

Das Maßnahmensystem im neuen Fahreignungs-Bewertungssystem unterscheidet sich deutlich von dem bisherigen System: 

Erste Eingriffsstufe Bei einem Punktestand von vier oder fünf Punkten ermahnt die Fahrerlaubnisbehörde den Betroffenen schriftlich und weist ihn auf die Möglichkeit hin, freiwillig ein Fahreignungsseminar zu besuchen, um das Verkehrsverhalten zu verbessern. Der Abzug eines Punktes nach freiwilligem Seminarbesuch ist bei einem Punktestand von ein bis fünf Punkten zum Zeitpunkt der Ausstellung der Teilnahmebescheinigung möglich.

Zweite Eingriffsstufe Bei einem Punktestand von sechs oder sieben Punkten wird der Betroffene schriftlich verwarnt und erneut auf die Möglichkeit der freiwilligen Teilnahme an einem Fahreignungsseminar hingewiesen, wofür dann aber kein Punkteabzug gewährt wird. 

Dritte Eingriffsstufe Wenn ein Punktestand von acht Punkten erreicht oder überschritten ist, nachdem die vorherigen Eingriffsstufen durchlaufen worden sind, gilt der Betroffene wie bisher bei Erreichen oder Überschreiten von 18 Punkten unwiderleglich als ungeeignet zum Führen von Kraftfahrzeugen. Die Fahrerlaubnis ist dann zwingend zu entziehen. 

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Kein Übergehen fälliger Maßnahmen 

Für die Maßnahmen auf allen drei Stufen gilt, dass es ausreicht, wenn der jeweilige Punktestand einmal erreicht war. Die Maßnahmen werden auch dann ergriffen, wenn der Punktestand zwischenzeitlich wieder unter die jeweilige Punkteschwelle gefallen sein sollte. Wie bisher wird sichergestellt, dass keine Eingriffsstufe übersprungen wird. Wenn sich der Punktestand durch Tilgung vermindert und danach wieder ansteigt, können die Eingriffsstufen auch mehrfach durchlaufen werden. Es bleibt dabei, dass Eignungsüberprüfung und Entziehung der Fahrerlaubnis ausnahmsweise unabhängig vom Punktsystem bei entsprechendem Anlass möglich sind, wenn bereits vor Erreichen von künftig acht Punkten dazu Anlass besteht. 

Fahreignungsseminar 

Eine erhebliche Veränderung gibt es bei den Seminaren. Das bisherige Aufbauseminar und die verkehrspsychologische Beratung werden zugunsten eines neu entwickelten Fahreignungsseminars aufgegeben. Das Fahreignungsseminar setzt sich aus Modulen zusammen, die im verkehrspädagogischen Teil von Fahrlehrern und im verkehrspsychologischen Teil von Psychologen betreut werden. Beide Teilmaßnahmen sind aufeinander abzustimmen. 

Die Inhalte der einzelnen Module werden in dem neu gefassten § 42 FeV geregelt. Die verkehrspädagogische Teilmaßnahme des neuen Fahreignungsseminars ist nach einem Rahmenlehrplan durchzuführen, der als neue Anlage 16 zur FeV eingeführt wird. Die verkehrspädagogische Teilmaßnahme kann als Einzelmaßnahme oder in Gruppen mit bis zu sechs Teilnehmern durchgeführt werden.

Spezielle Seminarerlaubnis 

Um diese Module anbieten zu können, müssen Fahrlehrer und Psychologen jeweils Inhaber einer speziellen Seminarerlaubnis sein. Die Seminarerlaubnis nach § 31 FahrlG beschränkt sich künftig auf Aufbauseminare für Fahranfänger in der Probezeit. Für die Durchführung der verkehrspädagogischen Teilmaßnahme des neuen Fahreignungsseminars benötigen Fahrlehrer eine gesonderte „Seminarerlaubnis Verkehrspädagogik“. Alte Seminarerlaubnisse berechtigen noch 2 Jahre nach Inkrafttreten der Reform zur Durchführung der verkehrspädagogischen Teilmaßnahme des neuen Fahreignungsseminars, wenn der Inhaber der Seminarerlaubnis an einem mindestens dreitägigen Fortbildungslehrgang über die Inhalte des Fahreignungsseminars teilgenommen hat.

Das neue Fahreignungsseminar gibt es nur als freiwillig zu besuchendes Seminar; es wird nicht von der Fahrerlaubnisbehörde angeordnet. Durch die Teilnahme kann einmal in 5 Jahren bei einem Punktestand von ein bis fünf Punkten ein Punkt abgebaut werden. Ein angeordnetes Seminar gibt es nicht mehr und damit auch nicht mehr die Entziehung der Fahrerlaubnis wegen Nichtteilnahme an einem angeordneten Seminar. Das neue Fahreignungsseminar wird als Modellversuch 5 Jahre erprobt. Die Regelungen zur Fahrerlaubnis auf Probe werden nicht verändert; es bleibt somit dort bei den Aufbauseminaren und der verkehrspsychologischen Beratung.

Überwachung/Qualitätssicherung  

Die beiden Teilmaßnahmen des neuen Fahreignungsseminars unterliegen der behördlichen Überwachung. Die zuständigen Behörden können von der wiederkehrenden Überwachung absehen, wenn der Fahrlehrer oder Psychologe sich einem von der Behörde anerkannten Qualitätssicherungssystem angeschlossen hat. Das Bundesverkehrsministerium soll nach der erst vom Vermittlungsausschuss eingefügten Regelung Anforderungen an Qualitätssicherungssysteme und Regeln für die Durchführung der Qualitätssicherung durch Verordnung bestimmen. Es hat im Vermittlungsverfahren zwischen Bundesrat und Bundestag ausdrücklich zugesagt, dem Bundesrat einen Entwurf dafür bis Ende 2013 zuzuleiten. Dies bezieht sich zwar nur auf die neuen Fahreignungsseminare, ist aber gleichwohl als kleine Sensation zu werten, nachdem der Bund in den vergangenen Jahren von der Ermächtigung des § 34 Absatz 4 FahrlG zur Schaffung einer QS-Verordnung keinen Gebrauch gemacht hat. Es bleibt zu hoffen, dass rechtzeitig zum Inkrafttreten der Reform Einigkeit zwischen Bund und Ländern über diese noch ausstehende Regelung erreicht werden kann.

 

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