Im Gespräch: Interview mit Gerhard von Bressensdorf

Artikel aus Newsletter Ausgabe 14, November 2013

Gerhard von BressensdorfBild: Gerhard von Bressensdorf

„Wir wollen ein Fahrlehrerrecht, das Bewährtes erhält und den Beruf zukunftsfähig macht.“

Wichtige Bereiche des Fahrlehrerrechts sind in die Jahre gekommen. Das am 1. Oktober dieses Jahres 44 Jahre alt gewordene Fahrlehrergesetz erfuhr seitdem mehr als 20 Änderungen. Doch lediglich die Novellen der Jahre 1976 (obligatorische Fahrlehrerausbildung, Ermächtigung für den Erlass der Fahrschüler-Ausbildungsordnung) und 1997 (zweiphasige Ausbildung der Fahrlehrer, Ausbildungsfahrschule, Lehrgang über Betriebswirtschaft) hatten nennenswerten Reformcharakter. Seitdem gab es viele Anläufe, erkannte Defizite im Berufsrecht der Fahrlehrer zu beheben. Die Bundesvereinigung der Fahrlehrerverbände e.V., die zusammen mit ihren Landesverbänden die weit überwiegende Mehrheit der in Deutschland tätigen Fahrlehrerinnen und Fahrlehrer vertritt, hat dazu in den letzten 12 Jahren immer wieder gut begründete Vorschläge unterbreitet, doch vergebens. Signale aus der Politik weisen darauf hin, dass nach 16 Jahren Stillstand das Fahrlehrerrecht nun angegangen werden soll. Zu besonders wichtigen Positionen richtete die Redaktion Fragen an den Vorsitzenden der Bundesvereinigung der Fahrlehrerverbände, Gerhard von Bressensdorf. 

Ww: Im April 2012 versprach der Verkehrsminister eines Bundeslandes in einer öffentlichen Veranstaltung, man werde die Reform des Fahrlehrerrechts noch in der laufenden Legislaturperiode des Bundestages angehen. Außer einem mageren „Eckpunktepapier“ ist daraus nichts geworden. Wie sehen Sie die Chancen jetzt?

von Bressensdorf: Man darf den Einfluss, den Gestaltungswillen, ja die Macht der Bundesländer nicht unterschätzen. Doch das Fahrlehrergesetz ist ein Bundesgesetz. Deshalb denke ich, dass die neue Bundesregierung nun umgehend mit den vorbereitenden Arbeiten beginnen sollte. 

Ww: Was ist nach Ihren Mitgliederbeschlüssen vordringlich? 

von Bressensdorf: Unsere Mitglieder sehen Fahrausbildung, Fahrerweiterbildung und Fahrernachschulung in allen Facetten als vorwiegend pädagogische Aufgaben an. Sie wollen deshalb das pädagogische Profil des Berufs deutlich gestärkt sehen. Dafür ist es erforderlich, die Ausbildung der Fahrlehreranwärter neu zu ordnen und neu zu gewichten.

Ww: Was heißt das im Einzelnen?

von Bressensdorf: Wir wollen eine duale, fachakademische Ausbildung, die mindestens 24 Monate umfasst. Dabei sollen im theoretischen Teil nicht Recht und Technik – so wichtig sie sind –, sondern die Fächer Pädagogik, Didaktik und Lernpsychologie vorrangige Inhalte sein. So kann sichergestellt werden, dass die an den Fahrlehrerberuf gestellten verkehrspädagogischen Bildungsanforderungen erfüllt werden können. Und weil eine Ausbildung dieses Anspruchs bestimmte Schlüsselqualifikationen der Bewerber voraussetzt, muss dringend auch der Berufszugang neu geregelt werden.

Ww: Abitur?

von Bressensdorf: Nicht unbedingt. Sehen Sie, die Bildungsvoraussetzungen für Fahrlehrerbewerber sind auf dem Stand von 1976 stehen geblieben. Wie wir aus einem alten Protokoll wissen, hatte sich der damalige Staatssekretär im Bundesverkehrsministerium, Heinz Ruhnau, bei den Schlussberatungen zur Novelle des Fahrlehrergesetzes von 1976 an der Mindestvorbildung für Hamburger Feuerwehrleute orientiert. Das war Hauptschule plus einer erfolgreich abgeschlossenen Ausbildung in einem anerkannten Lehrberuf. Ich kann es uns ersparen, hier näher auf die heutige Geltung des Hauptschulabschlusses einzugehen. Denn schon eine 1983 veröffentlichte Forschungsarbeit der Bundesanstalt für Straßenwesen (BASt) legte dar, dass weder die allgemeine Vorbildung noch die Berufsausbildung, wie sie das Fahrlehrergesetz verlangt, im Einklang mit den Anforderungen an die Berufsarbeit des Fahrlehrers stehen. Wir verlangen deshalb mindestens Fachhochschulreife oder einen gleichwertigen Bildungsstand, der in einem Berufseignungstest nachzuweisen ist. 

Ww: Sie sagten duale Ausbildung. Wird die nicht schon heute praktiziert? 

von Bressensdorf: Nicht wirklich. Unser durchgeplanter Vorschlag nimmt Maß an den dualen Studiengängen, wie sie heute in vielen Disziplinen des beruflichen Spektrums üblich sind. Das sind stark praxisbezogene Studiengänge, deren Teilnehmer optimal auf ihren Beruf vorbereitet werden. 

Ww: Wäre es auch bei verstärkter pädagogischer Ausrichtung der Fahrlehrerausbildung noch sachgerecht, von Fahrlehreranwärtern der Klasse BE neben dem Besitz der Fahrerlaubnis der Klasse BE auch den der Klassen A2 und CE zu verlangen?

von Bressensdorf: Fahrlehrer sollen, auch wenn sie nur in der Klasse BE unterrichten wollen, über eigene praktische Erfahrungen verfügen, die über die Klasse BE hinausgehen. Nur so sind sie in der Lage, ihre Schüler umfassend über Besonderheiten und Gefahren zu unterrichten, die im Verkehr bezüglich Motorrädern und Schwerfahrzeugen von Bedeutung sind. Die Bundesvereinigung tritt deshalb für die grundsätzliche Beibehaltung der bisherigen Regelung ein. 

Ww: Gute Ausbildung des Nachwuchses ist für jeden Beruf von existenzieller Bedeutung. Was erwarten Ihre Mitglieder außerdem von einer Reform des Fahrlehrerrechts? 

von Bressensdorf: Unsere Mitglieder wollen ein Fahrlehrerrecht, das Bewährtes erhält und den Beruf zukunftsfähig macht. Dazu gehört z.B. die Stärkung der Gemeinschaftsfahrschule als eine der gängigen Kooperationsformen für Fahrschulen. Nach unserer Auffassung sollen künftig Inhaber unterschiedlicher Fahrschulerlaubnisklassen in einer Gemeinschaftsfahrschule zusammenarbeiten dürfen. Wir fordern für die Gemeinschaftsfahrschule den verantwortlichen Leiter. Dieser muss die Fahrschulerlaubnis für alle in einer Gemeinschaftsfahrschule angebotenen Ausbildungsklassen besitzen. Darüber hinaus soll die Nutzung der Fahrschulerlaubnis außerhalb der Gemeinschaftsfahrschule den Gesellschaftern der Gemeinschaftsfahrschule untersagt sein. Das ist zur Vermeidung unübersichtlicher und somit unkontrollierbarer Fahrschul-Konglomerate äußerst wichtig. Im Übrigen ist an der ungeteilten Verantwortung des Fahrschulinhabers/verantwortlichen Leiters, wie sie das Fahrlehrergesetz heute vorsieht, festzuhalten. Wir wollen aber den wirklich existenten, überprüfbar seinen Aufgaben nachkommenden verantwortlichen Leiter. Nicht einen vorgeschobenen Strohmann, der quasi nur auf dem Papier steht. Insofern, das sagt uns die Erfahrung, bedarf das Gesetz hinsichtlich der Anforderungen an den verantwortlichen Leiter deutlicher Nachbesserung. 

Ww: Und wie sieht es mit weiteren Kooperationsformen aus? 

von Bressensdorf: Den Fahrschulen stehen auch andere Formen kostendämpfender, synergiestiftender Zusammenarbeit offen. Viele Fahrschulen nutzen Betriebsmittel wie Lehrfahrzeuge und Lehrräume gemeinsam. Das ist durch einfache Verträge zu regeln. Auch die Aushilfe im Krankheitsfall oder bei vorübergehender Überlastung lässt sich relativ leicht regeln, ohne mit den Bestimmungen des Fahrlehrergesetzes oder anderen Rechtsvorschriften in Konflikt zu geraten. 

Ww: Das Eckpunktepapier vom Februar 2012 geht in puncto Kooperation erheblich weiter. Danach sollen Fahrschulen anderen, nämlich sog. Kooperationsfahrschulen, „(Teil-)Aufträge zur Fahrschulausbildung“ erteilen können. Ist das noch auf dem Tapet? Und wenn ja, stützt Ihre Organisation diesen Vorschlag? 

von Bressensdorf: Nein, unsere Mitglieder lehnen das entschieden ab. Ein Fahrschüler, der einen Ausbildungsvertrag unterschreibt, muss von vornherein wissen, mit wem er es zu tun hat. 

Eine Regelung, die es zuließe, heute die und morgen jene Fahrschule ganz nach momentanem Vorteil und Profit zur „Kooperationsfahrschule“ zu erklären, würde der Verbrauchertäuschung Vorschub leisten. „Der Billigste kriegt den Zuschlag, was darüber ist, bleibt in meiner Tasche“, das darf so nicht gesetzliche Regelung werden. 

Ww: Vor knapp einem Jahr entschied ein Verwaltungsgericht, die Beschäftigung sog. „freier Mitarbeiter“ in Fahrschulen sei rechtens. Ein für den Berufsstand gutes Urteil? 

von Bressensdorf: Nein, denn das Urteil wird von bestimmten Kreisen fälschlich als Freibrief für die Unterdrückung von Sozialabgaben ausgelegt. Wir sind der Auffassung, dass der Gesetzgeber hier Klarheit schaffen muss. Auch dazu werden wir einen Vorschlag unterbreiten. Es gibt gewichtige Gründe zu bezweifeln, dass ein Fahrschulinhaber seinen gesetzlichen Auftrag, beschäftigte Fahrlehrer anzuleiten und hinsichtlich der Ausbildungsqualität zu überwachen, gegenüber „freien Mitarbeitern“ durchsetzen kann. Der „ambulante Fahrlehrer“ widerspricht dem eigentlichen Sinn des § 16 Fahrlehrergesetz. Im Übrigen lehrt uns die Erfahrung, dass sog. „freie Mitarbeiter“ nicht oder nur ungenügend gegen Krankheit und Arbeitslosigkeit versichert sind und darüber hinaus Gefahr laufen, der Altersarmut anheim zu fallen. Die Bundesvereinigung wendet sich ganz entschieden gegen ein Subunternehmertum in Fahrschulen, das nur der Profitgier verantwortungsloser Macher dient. 

Das Interview führte Gebhard L. Heiler

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Zur Person

Gerhard von Bressensdorf ist seit 1994 Vorsitzender der Bundesvereinigung der Fahrlehrerverbände e.V., der 18 Landesverbände mit insgesamt 15.000 Mitgliedern angehören. Von 2002 bis 2013 war von Bressensdorf auch Präsident der Europäischen Fahrlehrer Assoziation (EFA), die 28 nationale Fahrlehrerverbände und drei assoziierte Mitglieder umfasst. Er arbeitet darüber hinaus in namhaften nationalen und internationalen Gremien der Verkehrssicherheit mit und gilt als überzeugter Befürworter und Wahrer qualitätvoller professioneller Fahrausbildung. Während seiner bisherigen Amtszeit kam es in Deutschland mehrfach zu richtungsweisenden Neuerungen des Fahrlehrer-, Ausbildungs- und Fahrerlaubnisrechts, an denen von Bressensdorf maßgeblich mitgewirkt hat.

 

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