Mobilität: Barrierefreiheit

Artikel aus Newsletter Ausgabe 15, April 2014

Prof. Dr.-Ing. Klaus LangwiederBild: Prof. Dr.-Ing. Klaus Langwieder

Im Februar und im März dieses Jahres haben wir – politischen Turbulenzen zum Trotz – die Leistungen der besten Wintersportler der Welt bewundert. Fast noch mehr als die Olympischen Winterspiele haben mich die 11. Winter-Paralympics in ihren Bann gezogen. Die Bilder anscheinend oft müheloser Bewältigung höchster sportlicher Herausforderungen lassen uns manchmal vergessen, dass diese mutigen, lebensbejahenden Menschen behindert sind. Aber auch im Alltag muss ihnen geholfen werden.

Im Koalitionsvertrag der Bundesregierung ist nun beabsichtigt, die Umsetzung der UN-Behindertenkonvention voranzutreiben. Das Ziel, dass diese Menschen in allen Verkehrsträgern ohne Einschränkungen mobil sein können, darf aber kein bloßes Schlagwort sein, Mobilität für Behinderte muss unterstützt und Barrierefreiheit muss gelebt werden.

Die Deutsche Fahrlehrer-Akademie e.V. hat es seit ihrer Gründung vor nahezu 25 Jahren als eine ihrer vornehmsten Aufgaben angesehen, bei der Beseitigung von Barrieren mitzuhelfen. Wir glauben, dass unabhängige individuelle Mobilität, wie sie nur das Automobil bietet, für das Lebensgefühl behinderter Menschen besondere Bedeutung hat. Deshalb haben wir 1997 und wiederum 2010 den Leitfaden „Mobilitätsbehinderte und Kraftfahrzeug“ herausgegeben. Das Buch zeigt Betroffenen, aber ebenso Fahrschulen, Behörden, Sachverständigen und Werkstätten auf, wie auf dem Weg zum Führerschein Barrieren überwunden werden können.

Heute darf man mit Freude und Genugtuung feststellen: Dank Erfindungsgeist und enormer konstruktiver Anstrengungen können durch Umrüsttechnik nahezu alle körperlichen Behinderungen kompensiert werden. 

Wir freuen uns besonders auch über die zahlreichen Fahrschulen in ganz Deutschland, die sich auf die Fahrausbildung mobilitätsbehinderter Menschen spezialisiert haben. Die Deutsche Fahrlehrer-Akademie e.V. wird diese für die Beseitigung von Barrieren so wichtige Arbeit der Fahrschulen auch in Zukunft nach Kräften unterstützen.

Mit besten Grüßen

Ihr Klaus Langwieder

 

 Prof. Dr.-Ing. habil., Dr. h.c. Egon-Christian von Glasner: Die neue Reifen-Gesetzgebung der Europäischen Union gefährdet die Verkehrssicherheit beim Bremsen auf nasser Fahrbahn

Artikel aus Newsletter Ausgabe 15, April 2014

Bild: Prof. Dr.-Ing. habil., Dr. h.c. Egon-Christian von GlasnerProf. Dr.-Ing. habil., Dr. h.c. Egon-Christian von Glasner

1. Rückblick

Vor dem Jahr 2000 waren die Fahrzeughersteller für die Reifenauswahl verantwortlich, die sie nach langen, intensiven Tests ausgewählt und auf das Fahrzeug abgestimmt hatten. Diese Reifen wurden im Kfz-Schein festgeschrieben.

Aufgrund einer Klage der Europäischen Union (EU) gegen die Bundesrepublik Deutschland wegen "unnötiger Handelshemmnisse im Markt" musste auf das Festschreiben von Reifenfabrikaten durch die Fahrzeughersteller im Jahr 2000 verzichtet werden. 

In den Jahren 2000 bis 2012 gab es keinerlei gesetzliche Anforderungen an das Seitenführungs- und Bremsverhalten von Reifen auf nassen Fahrbahnen.

2. Gesetzliche Anforderungen an Reifen

Die EU hat im Jahr 2012 ein Reifenlabel eingeführt (siehe Bild 1), das Forderungen an das Bremsvermögen auf nasser Fahrbahn für Reifen von Pkw (C1-Reifen), von leichten Lkw (C2-Reifen) sowie von schweren Lkw und Bussen (C3-Reifen) enthält. Diese Anforderungen werden nochmals in Bremsleistungsklassen von A bis G unterteilt, die durch die Höhe des Nassgriffindex G definiert werden, der eine Aussage über die Bremsleistungsfähigkeit eines Reifens auf nasser Straße erlaubt. 

Dieses Label beinhaltet einen gefährlichen Fehler: Die in Bild 1 für die Nassgriff-Klasse F aufgeführten gesetzlichen Mindestanforderungen für den Nassgriffindex G von C1-, C2- und C3-Reifen sind lächerlich gering und eine große Gefahr für die Sicherheit der Verkehrsteilnehmer. Dort heißt es für C1-, C2- und C3-Reifen in der gegenwärtigen EU-Gesetzgebung explizit: Der Nassgriffindex G darf kleiner gleich 1,1 bzw. kleiner gleich 0,95 und kleiner gleich 0,65 sein. Das heißt, es sind derzeit nach EU-Gesetzgebung sogar Reifen mit einem Nassgriffindex G=0 zulässig, also Reifen, die keinerlei Bremskräfte übertragen können bzw. die ein Fahrzeug auf nasser Straße überhaupt nicht abbremsen können.

 

2.1 Untersuchungen mit Pkw-Reifen

Fahrdynamische Untersuchungen mit auf dem Markt befindlichen C1-Reifen (Pkw) zeigten bereits deutlich, dass Reifen der Nassgriff-Klassen E und F aufgrund der großen Bremswegunterschiede ein hohes Unfallpotenzial darstellen (Bild 2).

 

Bei Bremsungen aus 80 km/h auf nasser Straße stand ein Pkw mit Premium-Reifen (Nassgriff-Klasse A) nach ca. 32 Metern. Ein Pkw, der mit Budget-Reifen der Nassgriff-Klasse F ausgerüstet war, benötigte ca. 48 Meter, was einer Aufprallgeschwindigkeit auf das bereits stehende Fahrzeug mit den Premium-Reifen von ca. 46 km/h entspricht (Bild 3).

 

Findet dieser Bremsvorgang auf der Autobahn mit der Richtgeschwindigkeit von 130 km/h statt, dann beträgt die Aufprallgeschwindigkeit bereits über 70 km/h (Bild 4).

 

Zu beachten ist dabei auch der gravierende Umstand, dass durch die viel zu niedrigen, aber gesetzlich erlaubten Grenzwerte für den Nassgriffindex G die Wirksamkeit von Fahrerassistenzsystemen, wie z.B. Notbremsassistent, Spurhaltung und Stabilitätsregelung (ESP), erheblich vermindert wird, was deren Nutzen für die Verkehrssicherheit deutlich reduziert. 

2.2 Untersuchungen mit Reifen für Lkw und Busse (C2- und C3-Reifen)

Nach EVU-Analysen beträgt bei einem Nassgriffindex von G = 0,65, wie für schwere Nutzfahrzeuge und Busse von der EU beschlossen, der für die Bremsung auf nasser Fahrbahn notwendige Kraftschlussbeiwert zwischen Reifen und Fahrbahn lediglich k = 0,35. Dies entspricht in etwa einem Kraftschlussbeiwert zwischen einem Reifen und einem nassen und verschmierten Kopfsteinpflaster.

Weitere Berechnungen und Simulationen ergaben, dass diesem Nassgriffindex G = 0,65 ein Bremsweg von ca. 83 Metern aus 80 km/h zugeordnet werden muss (Bild 5).

 

Im Gegensatz dazu steht – wie in Kapitel 2.1 bereits gezeigt – ein mit Premium-Reifen der Nassgriff-Klasse A bremsender Pkw unter gleichen Bedingungen nach ca. 32 Metern. Bei gleichzeitiger Bremsung in einer Kolonne würde ein schwerer Lkw mit Reifen des von der EU gesetzlich erlaubten Nassgriffindex von G = 0,65 noch mit einer Restgeschwindigkeit von ca. 64 km/h auf den schon stehenden Pkw aufprallen.

Ein aus 100 km/h auf nasser Autobahn bremsender Bus würde unter den gleichen Bedingungen mit ca. 77 km/h auf den bereits stehenden Pkw auffahren (Bild 6).

3. Konsequenzen und Forderungen

1. Die heutigen, gesetzlich geforderten Werte für den Nassgriffindex G sind geradezu kontraproduktiv zum Ziel der EU, die Zahl der Toten und Schwerverletzten auf unseren Straßen bis zum Jahr 2020 zu halbieren. 2.Es ist deshalb dringend notwendig, dass der jeweilige Mindestwert für den Nassgriffindex G in der jetzigen EU-Vorschrift EP 1235/2011 aus Gründen der allgemeinen Verkehrssicherheit signifikant angehoben wird, da eine direkte Verantwortung der EU für etwaige Unfälle, die aus den gesetzlichen Festlegungen der EU zum Bremsleistungsvermögen von Reifen auf nasser Straße resultieren, nicht ausgeschlossen werden kann. 3.Die EVU-Forderung (der sich auch der Deutsche Verkehrssicherheitsrat DVR angeschlossen hat) für den minimal erlaubten Nassgriffindex G lautet für

C1-Reifen: G = 1,25,
C2-Reifen: G = 1,1 und
C3-Reifen: G = 0,95.

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Zur Person

Prof. Dr.-Ing. habil., Dr. h.c. Egon-Christian von Glasner war vor seiner Berufung zum Präsidenten der Europäischen Vereinigung für Unfallforschung und Unfallanalyse (EVU) in leitenden Positionen der deutschen Automobilindustrie tätig. Ab 1980 lehrte Glasner an acht europäischen Universitäten, darunter auch in Karlsruhe und Stuttgart. Glasner ist Inhaber zahlreicher wissenschaftlicher Auszeichnungen und des Europäischen Sicherheitspreises für Nutzfahrzeuge.

 

 Kuratoriumstag 2014: "An den Schnittstellen zu neuer Mobilität"

Artikel aus Newsletter Ausgabe 15, April 2014

Der Einladung zum Kuratoriumstag 2014 waren am 11. März zahlreiche Repräsentanten der Kuratoriumsmitglieder gefolgt. Im Mittelpunkt der Stuttgarter Begegnung stand die Erörterung einer langfristigen Zusammenarbeit zwischen den Mitgliedern des Kuratoriums und der Deutschen Fahrlehrer-Akademie (DFA). Dabei sollen Ergebnisse zum beiderseitigen Nutzen erzielt werden.

In seiner Begrüßung dankte Präsident Prof. Dr.-Ing. Langwieder dem Kuratorium für die auch im abgelaufenen Jahr gewährte Unterstützung. Die DFA als Forschungs- und Entwicklungsinstitut des deutschen Fahrschulwesens sehe sich als Mittler zwischen Wissenschaft, Fahrlehrern und Politik. Die DFA gebe Impulse für die Vorbereitung des Berufsstandes der Fahrlehrer auf die Herausforderung der nahen und ferneren Zukunft.

Forschung/Entwicklung – Koordination und Finanzierung

Man stehe an den Schnittstellen zu neuen Formen der Mobilität. Es gelte deshalb, so Langwieder, die Kräfte zu bündeln. Die Umsetzung einiger wichtiger Aufgaben und Ziele sei mit der gegenwärtigen finanziellen Struktur der DFA nicht zu bewältigen. Die vernetzte Mobilität, automatische Fahrvorgänge, der modulare Verkehr, neue Lernstrategien, um nur einige der den Berufsstand bewegenden Zukunftsfragen zu erwähnen, erforderten intensivierte Forschung und Entwicklung. Hierzu sollten Zielvorstellungen zwischen Kuratoriumsmitgliedern und der DFA entwickelt werden, um zu gemeinsamen Projekten zu gelangen. Man wolle hier im beiderseitigen Interesse von Kuratorium und DFA arbeiten. Besondere Schwerpunkte der Arbeit dieses Jahres seien die Neuordnung der Fahrausbildung und des Fahrlehrerrechts. Langwieder ging in diesem Kontext auch auf die Zusammenarbeit der DFA mit Parlamentariern des Bundestages, namentlich mit Mitgliedern des Verkehrsausschusses ein, die er als sehr erfreulich bezeichnete. 

Wirkpotentiale moderner Fahrerassistenzsysteme ...

Die jüngste Publikation der DFA „Wirkpotentiale moderner Fahrerassistenzsysteme und Aspekte ihrer Relevanz für die Fahrausbildung“ traf bei den Tagungsteilnehmern auf hohes Interesse. Es handelt sich dabei um den Druck der von der TU München mit summa cum laude ausgezeichneten Dissertation von Dr.-Ing. Frank Maier. Die auf eine Initiative der DFA zurückgehende Arbeit wurde von Prof. Dr. Langwieder durchgängig betreut. Aus den durch die Arbeit gewonnenen wissenschaftlichen Erkenntnissen wird deutlich, wie fruchtbringend die Zusammenarbeit der DFA mit Universitäten und Hochschulen für den Berufsstand und dessen Gesprächspartner in Wirtschaft, Politik und Verwaltung ist.

Angeregter Austausch

Wie es sein soll, nahm die Diskussion weiten Raum der Tagung ein. Themen wie Fahrlehrerausbildung, neue didaktische Leitfäden für eine in Theorie und Praxis verzahnte Fahrausbildung, E-Learning, Einsatz von Fahrsimulatoren, Fahrausbildung auf Automatikfahrzeugen (wichtig auch für E-Fahrzeuge), Optimierung des Begleiteten Fahrens, Ausrichtung der Fahrprüfung an den Ausbildungszielen, Zwischenschritte auf dem Weg zu automatisierten Fahrvorgängen, Senioren in der Unfallstatistik, Marktsituation der Fahrschulen sorgten für einen regen Austausch, der teilweise zu sehr konkreten Anregungen führte. Der Tag war gut genutzt. Prof. Dr. Langwieder bedankte sich für die guten Ideen und die lebhafte Diskussion. Es war der Wunsch aller Anwesenden, sich im nächsten Jahr wieder zu treffen.

GLH

 

 Gute Umfragewerte für DFA-Newsletter

Artikel aus Newsletter Ausgabe 15, April 2014

Seit 2007 erscheint der DFA-Newsletter „Wegweiser“ zwei Mal pro Jahr. In einer nach der 14. Ausgabe im Spätherbst 2013 durchgeführten Leserumfrage erhielt das Medium beachtliche Zustimmung.

Mit „gut“ oder „sehr gut“ wurden die Beiträge hinsichtlich

  • des Informationswertes (68%),
  • der Aktualität (62%),
  • der Sachlichkeit (64%),
  • der Ausgewogenheit (50%) bewertet.

Das Layout wurde von über 90%, das Format von 85% der Befragten gutgeheißen. Die Noten „mangelhaft“ und „ungenügend“ erteilten die Leser nicht. Ein hoher Prozentsatz der Befragten wünscht den Newsletter künftig auf elektronischem Weg zugestellt zu bekommen.

Für das Präsidium der DFA und die Redaktion sind die erfreulichen Ergebnisse der Umfrage Ansporn für eine weitere Fortentwicklung des Newsletters.