QM-System der DFA startklar: Das lange Warten auf die Verordnung

Artikel aus Newsletter Ausgabe 3, April 2008

Peter Tschöpe, Vorsitzender des Fahrlehrerverbandes Baden-Württemberg e.V.Bild: Peter Tschöpe, Vorsitzender des Fahrlehrerverbandes Baden-Württemberg e.V.

Qualifizierte Fahrausbildung ist die unverzichtbare Grundlage für sicheres, partnerschaftliches und umweltfreundliches Verhalten der zukünftigen Kraftfahrer. Aber lässt sich Ausbildungsqualität objektiv messen und bewerten? Diese Frage ist längst beantwortet. Hochschulen, namentlich in den USA, haben schon in den 60er Jahren des letzten Jahrhunderts damit begonnen, für bestimmte Studiengänge Qualitätsstandards festzulegen und deren Einhaltung zu kontrollieren.

Inzwischen hat man gelernt, dass valide Ergebnisse nur von sorgfältig auf die Ziele einer Ausbildung abgestimmten Qualitätssicherungssystemen mit entsprechend feingliederigen Erhebungs- und Bewertungskriterien und konsequenter Auditierung erwartet werden können. Als 1998 das Fahrlehrergesetz in einigen Bereichen geändert wurde, war die Zeit reif, auch dem Gedanken der Qualitätssicherung der Fahrausbildung Raum zu geben. Seitdem ist es den Aufsichtsbehörden freigestellt, auf die staatliche Fahrschulüberwachung zu verzichten, „wenn eine Fahrschule sich einem von der zuständigen obersten Landsbehörde oder von einer durch sie bestimmten oder nach Landesrecht zuständigen Stelle genehmigten Qualitätssicherungssystem anschließt“ (§ 34 Abs. 3 FahrlG). Inzwischen sind jedoch fast 10 Jahre vergangen, ohne dass eine solche Anerkennung ausgesprochen werden konnte. Das liegt vor allem daran, dass die nach § 34 Abs. 4 FahrlG zu erlassende Verordnung über die „Anforderungen an die Qualitätssicherungssysteme und Regeln für die Durchführung der Qualitätssicherung“ noch nicht vorliegt.

Überzeugung durch sorgsame Information

Qualitätsmanagementsysteme (QMS), so der heute gängige Sprachgebrauch, werden üblicherweise von den sie anwendenden Unternehmen entwickelt. Zuerst sind die Qualitätsziele und die Prozesse zu deren Erreichung zu definieren. Die Entwicklung eines QMS kann freilich nur erfolgreich sein, wenn alle Mitarbeiter des Unternehmens durch eingehende Information davon überzeugt werden können, dass das QMS zur Optimierung der Arbeitsabläufe und somit zur dauerhaften Sicherung des Unternehmenserfolgs beiträgt. Dabei muss es vor allem gelingen, teils kursierende Klischees, wie QMS seien enge, aus überflüssigen Regelungen gestrickte Korsetts, auszuräumen. Daneben muss den Mitarbeitern klar sein, dass Qualitätsmanagement nicht statisch, sondern ein kontinuierlicher Prozess der Qualitätsverbesserung ist.

Kleinbetriebe nicht überfordern 

In Deutschland sind Fahrschulen überwiegend Kleinbetriebe, die nur einen oder zwei Fahrlehrer und eine Bürokraft beschäftigen. Wegen der hohen Anforderungen an ein QMS und den damit verbundenen Entwicklungskosten wäre es für die einzelne Fahrschule unwirtschaftlich, ein QMS zu entwickeln, das Aussicht auf behördliche Anerkennung hätte. Die Bundesvereinigung der Fahrlehrerverbände e.V. hat die Zeichen der Zeit erkannt und 1994 die Deutsche Fahrlehrer-Akademie e.V. (DFA) gebeten, ein Qualitätssicherungssystem für Fahrschulen zu entwickeln.

Enge Zusammenarbeit mit Praktikern 

Folgerichtig hat das von der DFA berufene Entwicklungsteam unter der Leitung von Professor Bruno Heilig zunächst die Kriterien für die Erhebung und Beurteilung der Unterrichtsqualität des theoretischen und praktischen Unterrichts entwickelt. In enger Zusammenarbeit mit Fahrschulen und in Workshops mit Fahrlehrern aus dem ganzen Bundesgebiet wurden die einzelnen Einwicklungsschritte verfeinert und den Bedürfnissen der Praxis angepasst. Parallel dazu wurden die Prozesse beschrieben und in Arbeitsanweisungen dokumentiert, wie eine Fahrschule die gesetzten Standards erreichen kann. Schließlich mussten auch noch die administrativen Abläufe erfasst und deren Dokumentation beschrieben werden, damit das QMS der DFA als Ersatz für die behördliche Fahrschulüberwachung anerkannt werden kann. Für die letzte Entwicklungsphase des QMS hat die DFA per Anzeigen in der Fachpresse Fahrschulen gesucht, die bereit waren, ihren theoretischen und praktischen Unterricht filmen zu lassen und die dabei entstandenen Videos für die Schulung der Auditoren zur Verfügung zu stellen. Obwohl die Fahrschulen die Anforderungen des QMS nicht kannten, erfüllten alle dessen Qualitätsstandards oder kamen ihnen sehr nahe. Ein Zeichen dafür, dass die Anforderungen des Systems erfüllbar sind. Dies umso mehr, als das QMS der DFA vorsieht, die Interessenten auf Wunsch vor dem ersten Audit zu beraten, um ihnen die Abläufe und Standards zu erläutern. Die DFA hat, vorbehaltlich gänzlich unvorhersehbarer Anforderungen der Verordnung nach § 34 Abs. 4 FahrlG, ihre Entwicklungsarbeiten abgeschlossen.

Unterrichtsqualität muss obenan stehen 

Sehr zum Verdruss der interessierten Fahrschulen konnte bislang der Startschuss für das Qualitätsmanagementsystem der DFA noch nicht gegeben werden, weil die erwähnte Verordnung noch aussteht. Dem Vernehmen nach liegt inzwischen ein Verordnungsentwurf des Bundesverkehrsministeriums vor. Es bleibt zu hoffen, dass die Unterrichtsqualität und nicht etwa ein Abklatsch der Formalüberwachung im Vordergrund steht. Bis jetzt war die Deutsche Fahrlehrer-Akademie e.V. nicht in die Vorbereitung der Verordnung eingebunden, was in Anbetracht der von ihr geleisteten Pionierarbeit bedauerlich ist. Weiterhin ist verwunderlich, dass der Verordnungsgeber entgegen einer jahrzehntelangen Gepflogenheit in diesem Fall nicht die fachliche Zuarbeit der berufsständischen Organisation gesucht hat.

Zentrale Begutachtung 

Weil aus bereits genannten Gründen ein Qualitätsmanagementsystem für Fahrschulen nicht von den einzelnen Unternehmen entwickelt wird, ist es naheliegend und sinnvoll, für die Anerkennung auf Begriffe wie Akkreditierung und Zertifizierung zu verzichten und stattdessen den modernen und heute üblichen Begriff der Konformitätserklärung zu verwenden. Es ist zu erwarten, dass – ähnlich wie bei der amtlichen Anerkennung von Fahrlehrerausbildungsstätten – manch fragwürdiger Experte sich berufen fühlt, in die Qualitätssicherung von Fahrschulen einzusteigen und um Anerkennung nach dem Fahrlehrerrecht nachzusuchen. Deshalb muss in der Verordnung eine zentrale Stelle benannt sein, die für die Konformitätsprüfung aller Anträge auf Anerkennung zuständig ist. Eine Übertragung dieser Kompetenzen auf viele Stellen würde die Gefahr der Anerkennung zweifelhafter Systeme in sich bergen. Eine für ganz Deutschland zentrale Kommission hätte dagegen die Chance, hohen Sachverstand zu vereinen und umfassende Erfahrungen zu sammeln. Beides würde die Gleichmäßigkeit der Beurteilung von QMS erheblich fördern.

Peter Tschöpe

 

Assessor jur. Andreas Anft Wenn Fahrausbildung vor Gericht bestehen muss: Curriculare Leitfäden sind das Richtmaß

Artikel aus Newsletter Ausgabe 3, April 2008

Bild: Assessor jur. Andreas Anft

Die von der Deutschen Fahrlehrer-Akademie e.V. herausgegebenen Curricularen Leitfäden haben seit dem Erscheinen des ersten Buches „Praktische Ausbildung PKW“ im Jahr 1993 dank ihrer didaktischen Klarheit viele Freunde unter den Fahrlehrern gefunden. In enger Beziehung zu den didaktischen Anleitungen steht die Dokumentation der Ausbildung, wie sie auch § 5 Abs. 1 der Fahrschüler-Ausbildungsordnung verlangt. Hierfür haben die Verfasser der Leitfäden Ausbildungsdiagrammkarten entwickelt, die es dem Fahrlehrer leicht machen, jede Phase der Ausbildung festzuhalten, ihren Schülern den Lernfortschritt aufzuzeigen und eine verlässliche Ausbildungsdiagnose zu stellen. Immer häufiger gewinnen die Curricularen Leitfäden auch vor Gericht Bedeutung. Nach Ausbildungsunfällen geht es sowohl im Straf- als auch im Zivilprozess immer um die Frage, ob der Fahrlehrer bei der praktischen Ausbildung das notwendige Maß an Sorgfalt hat walten lassen oder nicht. Besonderes Gewicht erlangt diese Frage, wenn bei der Ausbildung ein Fahrschüler verletzt oder getötet wird. Zu solch äußerst bedauerlichen Ereignissen kommt es glücklicherweise nur selten und wenn, dann vor allem bei der Motorradausbildung. Assessor jur. Andreas Anft, Vorstandsmitglied der Fahrlehrerversicherung VaG, Stuttgart, legt im Folgenden dar, welche Bedeutung der Curriculare Leitfaden „Motorrad“ hierbei inzwischen gewonnen hat.

Für Schäden, die ein Fahrschüler infolge eines Unfalls bei der Kraftradausbildung erleidet, haftet der Fahrlehrer, wenn ihm ein schuldhaft pflichtwidriges Vorgehen bei der Ausbildung anzulasten ist und dieses ursächlich für den Unfall war. Bei der Entscheidung, ob und unter welchen Voraussetzungen ein Verschulden des Fahrlehrers gegeben ist, stellen die Gerichte regelmäßig darauf ab, ob der sich aus dem Curricularen Leitfaden ergebende  

Stufenlehrplan eingehalten wurde. Wenn nicht nach dem Stufenlehrplan ausgebildet wurde, ist nach dem „Grundsatz des ersten Anscheins“ von einem schuldhaften Verhalten des Fahrlehrers auszugehen. Um einer Haftung zu entgehen, muss somit der Fahrlehrer nachweisen, dass er trotz Nichteinhaltung des Stufenlehrplans nicht pflichtwidrig gehandelt hat (sog. Umkehr der Beweislast). Dieser Nachweis ist in der Praxis kaum zu führen. Zur Rechtsprechungspraxis kann exemplarisch auf zwei Gerichtsurteile hingewiesen werden: 

LG Osnabrück, Urteil vom 24.02.2002

Eine Fahrschülerin stürzte in der ersten praktischen Ausbildungsstunde. Das Gericht erkannte auf die volle Haftung des Fahrlehrers und begründete dies wie folgt:

„Das fahrlässige pflichtwidrige Verhalten des Fahrlehrers ergibt sich daraus, dass er die Fahrschülerin nicht ausreichend auf die Fahrsituation vorbereitet hat (...). Als Maßstab hierfür kann der sogenannte Curriculare Leitfaden ... herangezogen werden. Nach diesem Leitfaden ist die praktische Ausbildung in 5 Stufen aufgebaut (...).“

LG Karlsruhe, Urteil vom 01.06.2004

Der Fahrschüler stürzte in der zweiten Stunde bei der Aufgabe „Abbremsen bis zum Stillstand aus einer Geschwindigkeit von 25 km/h“. Das Gericht wies die Klage des Fahrschülers ab und begründete dies wie folgt:

„Um eine Überforderung des Fahrschülers zu vermeiden, gleichzeitig aber den Fahrschüler mit den Ausbildungsinhalten vertraut zu machen um das Ausbildungsziel (...) zu erreichen, muss der praktische Unterricht systematisch aufgebaut sein. Als Anhaltspunkt (...) kann der Curriculare Leitfaden angesehen werden. Ein Verstoß gegen diesen Leitfaden ist nicht festzustellen.“

Aufzeichnungen sind unerlässlich

Um im Streitfall eine pflichtgemäße Ausbildung belegen zu können, empfiehlt es sich, den Ausbildungsablauf schriftlich zu dokumentieren und vom Fahrschüler bestätigen zu lassen. Hierzu sind die Ausbildungsdiagrammkarte nach dem Curricularen Leitfaden und die Aufzeichnungen nach § 5 FahrschAusbO geeignet.

Assessor jur. Andreas Anft

 Das DSG von Volkswagen: Umweltschonung dank Automatikgetriebe?

Artikel aus Newsletter Ausgabe 3, April 2008

Bild: Volkswagen PresseBild: Volkswagen Presse

Schon die Frage scheint dem Widerspruch verhaftet zu sein. Denn der Schlupf und die Kühlung des Drehmomentwandlers, so lehrt man es doch seit Generationen, schluckten, verglichen mit einem manuell geschalteten Getriebe, im Durchschnitt einen zusätzlichen halben Liter auf 100 Kilometer.

Nun, das neue 7-Gang-Direkt-Schalt-Getriebe (DSG) von Volkswagen hat keinen Wandler. Im Vordergrund der Konzeption dieses intelligenten Automatikgetriebes stand das Ziel, den Komfort einer konventionellen Automatik mit der Sparsamkeit und Dynamik eines manuell geschalteten Getriebes zu verbinden. Im Verlauf dieser reinen VW-Entwicklung stellte sich immer deutlicher heraus, dass dieses System mehr als jede andere Automatik das Potenzial besitzt, den Verbrauch und damit die Emissionen deutlich zu senken. Gegenüber einem manuellen Getriebe sind es je nach Motor bis zu 12 Prozent, im Vergleich zu einer Automatik mit Wandlerüberbrückungskupplung gar 20 Prozent. Mit einem Blick auf eine typische Automatikhochburg, wie etwa die USA, wird schnell klar, welch große Bedeutung das Sparpotenzial des DSG hat. Weltweit laufen heute schon rund 400.000 Fahrzeuge mit dem 6-Gang-DSG.

Von Polo bis Passat

Mit dem neuen 7-Gang-DSG startet nun eine weitere Version dieser intelligenten Automatik durch. Da sie speziell für Motoren mit bis zu 250 Newtonmeter Drehmoment entwickelt wurde, steht das Sparpotenzial weltweit erstmals für Volumenmotoren wie den 77-kW-TDI – meistverkaufter Turbodiesel im Millionenbestseller Golf – oder dem neuen 90-kW-TSI – einen künftigen Absatzriesen unter den Benzinern für die Golf- und Passat-Klasse – zur Verfügung. Das Getriebe ist 369 Millimeter lang und wiegt lediglich 70 Kilogramm (6-Gang-DSG: 93 Kilogramm). Technisch unterscheidet sich das neue 7-Gang-DSG unter anderem durch folgende Punkte von seinem bekannten Pendant:

  • sieben statt sechs Vorwärtsgänge,
  • trockene statt nasse Doppelkupplung.

Dass in der Getriebeentwicklung Potenziale für weniger Verbrauch liegen, ist seit Langem bekannt. Das 7-Gang-DSG von Volkswagen kommt zu einem Zeitpunkt auf den Markt, in dem infolge der neuen EU-Regelungen der Reduktion der Schadstoffemission gerade bei Großserienfahrzeugen enorme Bedeutung zukommt.   

Bild: 7-Gang-Direkt-Schalt-Getriebe von VW  

Schon in den letzten Jahren stieg der DSG-Marktanteil permanent an - beim Passat waren es 28 Prozent. Mit dem 7-Gang-DSG wird ein weiterer deutlicher Sprung nach vorne gelingen, denn angesichts der rasant gestiegenen und wahrscheinlich nie mehr wesentlich fallenden Kraftstoffpreise ist sparsamer Verbrauch zu einem Verkaufsargument der ersten Klasse geworden.

VW-Presse/GLH

 

 Motorrad: Der beste Schutz ist gute Ausbildung

Artikel aus Newsletter Ausgabe 3, April 2008

Wenn im März die lauen Lüfte wehen und es überall sprosst und blüht, erwachen auch die Gelüste der Motorradfans. Man kann es kaum mehr erwarten, auf kurvenreichen Pisten dahinzugleiten und die unnachahmlichen Düfte der zu neuem Leben erwachten Natur zu genießen. Apropos Leben: Darum geht es hauptsächlich! Denn wer an Motorradfahren denkt, kommt nicht an der Tatsache vorbei, dass jeweils zu Beginn der Saison die Anzahl der Opfer jäh ansteigt. Im letzten Jahr war das besonders schlimm, und auch in den folgenden Monaten waren die Unfallzahlen teilweise sehr deprimierend. Solche Meldungen machen das Motorrad nicht gerade populärer und lassen den Absatz schwinden. Was Wunder, wenn da die Hersteller immer intensiver über technische Lösungen zur Verbesserung der passiven Sicherheit der Biker nachdenken. Dabei kommt immer wieder der Airbag ins Gespräch, zumal Honda die in den USA hergestellte Gold Wing seit rund einem Jahr mit einem solchen System ausstattet. Verschiedenen Berichten zufolge soll der Airbag bei simulierten Frontalzusammenstößen gut abgeschnitten haben. Und in der Realität hat nach einem von der Zeitschrift Motorrad veröffentlichten Bericht der Fahrer einer Gold Wing dank Luftsack einen Frontalcrash überlebt.

Airbag ja, aber …

An dieser Stelle wenden die Unfallforscher zu Recht ein, dass ein Schutz gegen die Folgen des Frontalunfalls alleine keineswegs das Ei des Columbus ist. Ähnlich denken die Sicherheitsingenieure der meisten Motorradhersteller, denn nicht der Frontalunfall, sondern der Sturz in allen seinen Varianten ist die häufigste Ursache für Verletzungen. „Wenn man über Motorradsicherheit nachdenkt, darf man sich nicht in Pkw-Kategorien bewegen, ein ähnliches Maß an passiver Sicherheit lässt sich da nicht verwirklichen.“ So oder ähnlich lauten die Statements der Experten. Das heißt aber nicht, dass man das Thema ad acta gelegt hat. Die Hersteller wissen sehr gut, dass die Zukunft des Motorrades vor allem von der Frage abhängt, wie sicher man damit unterwegs ist. Die jahrlange sträfliche Vernachlässigung des ASB – BMW ausgenommen – hat sich für einige Hersteller bitter gerächt. Wir wissen längst, dass zahlreiche Stürze hätten vermieden werden können, hätten die Maschinen ABS gehabt. Inzwischen sind wir – und das ist gut so – in Deutschland (fast) so weit, dass neue Motorräder ohne ABS nur noch schwer an den Mann zu bringen sind.

Entwicklung und Forschung: Fahrwerktechnik und Reifen

Als wichtigen Sicherheitsfaktoren kommt seit geraumer Zeit vor allem der Verbesserung der Fahrwerktechnik und der Reifen ziemliche Bedeutung zu. Auch Systemen der elektronischen Warnung vor gefährlichen Fahrbahnzuständen schenkt man erhöhte Aufmerksamkeit. Manche meinen auch, rundum mit Luftsäcken bestückte Schutzanzüge seien die Lösung schlechthin. Technisch wahrscheinlich möglich – aber wie schwer, wie teuer und wie spaßtötend würde so ein Monstrum wohl sein? Ganz nüchtern betrachtet sind für das Motorrad technische Lösungen im Sinne weitgehender Verletzungsvermeidung nicht in Sicht. Deshalb bleibt vorerst und sicher noch für lange Zeit qualifizierte Ausbildung sowie eine die Schwächen des Fahrers aufdeckende und ausgleichende Fortbildung der beste Schutz, den man Motorradfahrern mitgeben kann.

Didaktische Könner sind gefragt

Um guten praktischen Unterricht erteilen zu können, müssen Motorradfahrlehrer erstens Fahrkönner und zweitens ausgezeichnete Diagnostiker und Didaktiker sein. Mangelnder Fortschritt und Rückschläge in der praktischen Ausbildung, ja Ausbildungsunfälle, können die Folge falscher Einschätzung des Vermögens der Fahrschüler und didaktischer Fehlleistungen sein. Kann es sein, dass die praktische Motorraddidaktik bei der Ausbildung der Motorradfahrlehrer etwas zu kurz kommt? Wenn es so ist, mag das u.a. daran liegen, dass wesentliche didaktische Unterschiede zwischen der Ausbildung auf mehrspurigen Kraftfahrzeugen und Krafträdern nicht oder nicht ausreichend erkannt sind. In der späteren Praxis treten Defizite der Fahrlehrerausbildung am deutlichsten durch Überforderungen der Fahrschüler zutage. Überforderungen, das ist eine Binsenwahrheit, sind Motivationskiller und gefährlich obendrein. Zuverlässigen Beobachtern zufolge fehlt es oft an der notwendigen didaktischen Detailarbeit, indem z.B. bei der Schulung der Fahrzeugbeherrschung wichtige Schritte und Stufen „übersprungen“ werden. Eine so komplexe (Prüfungs-) Übung wie Ausweichen vor einem Hindernis darf keinesfalls in Angriff genommen werden, ohne den Schüler zuvor geduldig Schritt für Schritt durch einfache, die Fähigkeiten formende Übungen an das Balanceverhalten des Kraftrads und das dosierte Stören der Kreiselkräfte heranzuführen.

Ausbildung spezifischer anlegen

Es ist m.E. deshalb notwendig, die Nummer 2.4 des Rahmenplans für die Fahrlehrerausbildung an Fahrlehrerausbildungsstätten inhaltlich differenzierter zu fassen und den didaktischen Übungen mit dem Motorrad ein eigenes, verbindliches Zeitkontingent von mindestens 30 Stunden zuzuteilen. Daneben freilich ist die regelmäßige Teilnahme an speziellen Fortbildungen für Motorradfahrlehrer zur Erlangung neuer Erkenntnisse und Vertiefung der Fertigkeiten unentbehrlich. Jedoch vermag ich der in der heutigen Bildungspolitik nicht zu übersehenden Tendenz, Fortbildung zum Allheilmittel gegen Versäumnisse der grundlegenden Berufsausbildung zu erheben, in diesem Zusammenhang wenig abzugewinnen. Hier geht es vom ersten Schüler an um Gesundheit und Leben. Da wäre es fatal, wenn einer erst später merkte, was er in Jahren zuvor falsch gemacht hat.

Gebhard L. Heiler