Assessor jur. Andreas Anft Wenn Fahrausbildung vor Gericht bestehen muss: Curriculare Leitfäden sind das Richtmaß

Artikel aus Newsletter Ausgabe 3, April 2008

Bild: Assessor jur. Andreas Anft

Die von der Deutschen Fahrlehrer-Akademie e.V. herausgegebenen Curricularen Leitfäden haben seit dem Erscheinen des ersten Buches „Praktische Ausbildung PKW“ im Jahr 1993 dank ihrer didaktischen Klarheit viele Freunde unter den Fahrlehrern gefunden. In enger Beziehung zu den didaktischen Anleitungen steht die Dokumentation der Ausbildung, wie sie auch § 5 Abs. 1 der Fahrschüler-Ausbildungsordnung verlangt. Hierfür haben die Verfasser der Leitfäden Ausbildungsdiagrammkarten entwickelt, die es dem Fahrlehrer leicht machen, jede Phase der Ausbildung festzuhalten, ihren Schülern den Lernfortschritt aufzuzeigen und eine verlässliche Ausbildungsdiagnose zu stellen. Immer häufiger gewinnen die Curricularen Leitfäden auch vor Gericht Bedeutung. Nach Ausbildungsunfällen geht es sowohl im Straf- als auch im Zivilprozess immer um die Frage, ob der Fahrlehrer bei der praktischen Ausbildung das notwendige Maß an Sorgfalt hat walten lassen oder nicht. Besonderes Gewicht erlangt diese Frage, wenn bei der Ausbildung ein Fahrschüler verletzt oder getötet wird. Zu solch äußerst bedauerlichen Ereignissen kommt es glücklicherweise nur selten und wenn, dann vor allem bei der Motorradausbildung. Assessor jur. Andreas Anft, Vorstandsmitglied der Fahrlehrerversicherung VaG, Stuttgart, legt im Folgenden dar, welche Bedeutung der Curriculare Leitfaden „Motorrad“ hierbei inzwischen gewonnen hat.

Für Schäden, die ein Fahrschüler infolge eines Unfalls bei der Kraftradausbildung erleidet, haftet der Fahrlehrer, wenn ihm ein schuldhaft pflichtwidriges Vorgehen bei der Ausbildung anzulasten ist und dieses ursächlich für den Unfall war. Bei der Entscheidung, ob und unter welchen Voraussetzungen ein Verschulden des Fahrlehrers gegeben ist, stellen die Gerichte regelmäßig darauf ab, ob der sich aus dem Curricularen Leitfaden ergebende  

Stufenlehrplan eingehalten wurde. Wenn nicht nach dem Stufenlehrplan ausgebildet wurde, ist nach dem „Grundsatz des ersten Anscheins“ von einem schuldhaften Verhalten des Fahrlehrers auszugehen. Um einer Haftung zu entgehen, muss somit der Fahrlehrer nachweisen, dass er trotz Nichteinhaltung des Stufenlehrplans nicht pflichtwidrig gehandelt hat (sog. Umkehr der Beweislast). Dieser Nachweis ist in der Praxis kaum zu führen. Zur Rechtsprechungspraxis kann exemplarisch auf zwei Gerichtsurteile hingewiesen werden: 

LG Osnabrück, Urteil vom 24.02.2002

Eine Fahrschülerin stürzte in der ersten praktischen Ausbildungsstunde. Das Gericht erkannte auf die volle Haftung des Fahrlehrers und begründete dies wie folgt:

„Das fahrlässige pflichtwidrige Verhalten des Fahrlehrers ergibt sich daraus, dass er die Fahrschülerin nicht ausreichend auf die Fahrsituation vorbereitet hat (...). Als Maßstab hierfür kann der sogenannte Curriculare Leitfaden ... herangezogen werden. Nach diesem Leitfaden ist die praktische Ausbildung in 5 Stufen aufgebaut (...).“

LG Karlsruhe, Urteil vom 01.06.2004

Der Fahrschüler stürzte in der zweiten Stunde bei der Aufgabe „Abbremsen bis zum Stillstand aus einer Geschwindigkeit von 25 km/h“. Das Gericht wies die Klage des Fahrschülers ab und begründete dies wie folgt:

„Um eine Überforderung des Fahrschülers zu vermeiden, gleichzeitig aber den Fahrschüler mit den Ausbildungsinhalten vertraut zu machen um das Ausbildungsziel (...) zu erreichen, muss der praktische Unterricht systematisch aufgebaut sein. Als Anhaltspunkt (...) kann der Curriculare Leitfaden angesehen werden. Ein Verstoß gegen diesen Leitfaden ist nicht festzustellen.“

Aufzeichnungen sind unerlässlich

Um im Streitfall eine pflichtgemäße Ausbildung belegen zu können, empfiehlt es sich, den Ausbildungsablauf schriftlich zu dokumentieren und vom Fahrschüler bestätigen zu lassen. Hierzu sind die Ausbildungsdiagrammkarte nach dem Curricularen Leitfaden und die Aufzeichnungen nach § 5 FahrschAusbO geeignet.

Assessor jur. Andreas Anft

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