Erwachsenenbildnerische Qualität in Fahrschulen - Luxus oder Notwendigkeit?

Artikel aus Newsletter Ausgabe 4, Dezember 2008

Prof. Dr. phil. Margret FellBild: Prof. Dr. phil. Margret Fell

Die Frage, ob die Tätigkeit von Fahrlehrern oder Fahrlehrerinnen in Bezug auf die Aus- und Weiterbildung von Kraftfahrern eher der wissenschaftlichen Disziplin der Schulpädagogik oder der der Erwachsenenbildung (Andragogik) zuzurechnen ist, stellt sich mindestens aus drei Gründen:

  • Wir leben in einer Fortbewegungs- und Beschleunigungsgesellschaft, in der die Fähigkeit, sich verkehrssicher von einem Ort zum anderen fortbewegen zu können, inzwischen für alle Altersgruppen zu den fachübergreifenden Qualifikationen für die allgemeine Lebensbewältigung zählt.

  • Die demographische Entwicklung in der Bundesrepublik Deutschland zeigt einen Trend an, wonach in den nächsten Jahrzehnten immer weniger junge und immer mehr ältere Menschen das gesellschaftliche Geschehen bestimmen werden. Ein Segment gesellschaftlicher Realität ist dabei der Straßenverkehr.

  • Der Übergang vom Jugendlichen zum jungen Erwachsenen ist ein fließender. Junge Menschen werden in diesem Alter mit allen Rechten und Pflichten eines Erwachsenen ausgestattet und sind somit dem Erwachsenenalter zuzurechnen.

Fahrschulen als Orte der Erwachsenenbildung 

In unserer Gesellschaft gibt es inzwischen kaum einen Lebensbereich mehr, in dem nicht eine permanente und zu einem beträchtlichen Teil vollkommen freiwillige Weiterbildung zu einer Selbstverständlichkeit geworden ist. Im Zuge dessen ist die Etablierung verkehrsbildnerischer Maßnahmen im Erwachsenenalter innerhalb des gesamten allgemeinen Weiterbildungsangebotes längst überfällig. Die verkehrssichere motorisierte und nichtmotorisierte Teilnahme am Straßenverkehr muss als Bildungsinhalt in Weiterbildungsangeboten innerhalb und außerhalb von Fahrschulen schon deshalb einen wesentlich höheren Stellenwert als bisher erhalten, weil eine verkehrssichere Teilnahme am Straßenverkehr stets mit existentiellen Fragestellungen und Herausforderungen einhergeht. Während sich die Verkehrspädagogik mit Konzentration auf die Altersgruppe von Kindern und Jugendlichen bereits seit langem mit Möglichkeiten verkehrssicherheitsfördernder pädagogischer Interventionen im Sinne von Verkehrserziehung beschäftigt, wird auf wissenschaftlicher Basis eine Verkehrsbildung im Erwachsenenalter explizit nur von der Autorin in Zusammenarbeit mit dem wissenschaftlichen Beirat der Deutschen Fahrlehrer-Akademie diskutiert. Fahr"schulen“ sind zu lange homogenisierend nach dem Muster Schule organisiert worden. Es ist an der Zeit, sie zu individualisieren und am partnerschaftlich-dialogischen und erfahrungsbestimmten Paradigma der Erwachsenenbildung zu orientieren. Es gibt derzeit keinen anderen Berufsstand, der die didaktisch-methodischen Aufgaben einer lebensbegleitenden Verkehrsbildung professioneller bewältigen könnte als der der Fahrlehrer/innen. Voraussetzung dafür ist eine intensivere Beschäftigung mit einer dezidiert erwachsenenbildnerischen Didaktik und Methodik in der Fahrlehrerausbildung bzw. eine diesbezügliche erwachsenenbildnerische (andragogische) Weiterqualifizierung von Fahrlehrern/innen.

Fahrlehrer als Experten für Personal-„Entwicklung“ im Straßenverkehr

Erwachsene können nicht wie Kinder und Jugendliche erzogen werden. Zudem gilt es in Einrichtungen der Erwachsenenbildung die Besonderheiten des Lernens im Erwachsenenalter zu berücksichtigen: Erwachsene lernen nicht schlechter als Kinder und Jugendliche, sondern nur anders. Insofern ist das Berufsfeld von Fahrlehrern/innen als ein erwachsenenbildnerisches zu entfalten, das neben dem bislang klassischen Tätigkeitsschwerpunkt der Fahrerausbildung, den der Fahrerweiterbildung auch in Form einer lebensbegleitenden, also altersübergreifenden Verkehrsbildung implizieren muss. Denn wer ein Fahrzeug führt, hat nicht nur die Aufgabe, das Fahrzeug technisch einwandfrei fortzubewegen, sondern vor allem auf andere Verkehrsteilnehmer gerichtete personale und soziale Führungsqualitäten mitzubringen, also die Fähigkeit, situationsorientiert, flexibel und verstehend mit zum Teil offenen und unstrukturierten Situationen umgehen zu können. Fahrlehrer/innen sind in diesem Zusammenhang mehr denn je als Experten für Personal-„Entwicklung“ im Straßenverkehr gefordert, Fahrlehrer/innen haben die Aufgabe, Fahrauszubildende und Fahrweiterzubildende (derzeit z.B. ASP, ASF, FSF) personal zu entwickeln, darauf zu achten, dass etwa aus ihren Fahrauszubildenden Fahrerpersönlichkeiten werden, die als Multiplikatoren rücksichtsvollen und vorausschauenden Handelns zur Sicherheit im Straßenverkehr beitragen. Diese Sichtweise impliziert auch die Heranbildung zur intelligenten Nutzung z.B. von Verkehrsmitteln des Öffentlichen Nahverkehrs und damit die Berücksichtigung ökologischer Gesichtspunkte.

Verkehrsandragogik als wissenschaftliche Bezugsdisziplin 

Fahr“schulen“ als Einrichtungen der Erwachsenenbildung - eine an der Erwachsenen- und Weiterbildung orientierte Umbenennung täte im Sinne eines „Nomen est omen“ gut - haben in der Verkehrsandragogik ihre wissenschaftliche Bezugsdisziplin, während sich die absolut nicht weniger wichtige Verkehrspädagogik auf verkehrserzieherische Maßnahmen bei Kindern und Jugendlichen konzentriert. Verkehrsandragogik bietet als Brücke zwischen Andragogik (Wissenschaft von der Erwachsenenbildung) und Pädagogik (Wissenschaft von der Kinder- und Jugendbildung) theoretische und praxisbezogene Grundlagen für die Sicherung und Weiterentwicklung von Qualität des beruflichen Handelns von Fahr“lehrern/innen“ innerhalb und außerhalb von Fahr“schulen“ und ermöglicht so Fahr“lehrern/innen“ im Schnittpunkt zwischen Theorie und Praxis eine ständige Selbstvergewisserung ihres beruflichen Handelns.

Erwachsenenbildnerische Qualitätskriterien in Fahrschulen 

Eine an bildungswissenschaftlichen Maßstäben für Erwachsene orientierte Qualitätsentwicklung von Fahrschulen beschäftigt sich vor allem mit vier Erfolgskriterien:

  1. Legitimation der Verkehrsbildung in Fahrschulen (berufsständisches Selbstverständnis/Leitbilder),
  2. Didaktik und Methodik der Verkehrsbildung in Fahrschulen (Professionalität/Teilnehmerzufriedenheit),
  3. Lernerfolg in der theoretischen und praktischen Fahrerausbildung und Weiterbildung - Verkehrsbildung (Erfolgs-, Abbrecher-, Wechsler- und Durchfallquoten),
  4. Transfererfolg des Gelernten in den Verkehrsalltag (z.B. Nutzung von Fahrerfahrungen nach dem Erwerb des Führerscheins zur vertiefenden Fahrerausbildung und Weiterbildung).

Letztendlich bemisst sich die Effektivität des theoretischen und praktischen Fahrunterrichts nicht alleine am Bestehen der Fahrprüfungen. Sie bemisst sich auch daran, inwieweit Fahrlehrer/ innen es vermochten, den Fahranfängern eine partnerschaftliche Fahreinstellung und -haltung mit auf den Weg zu geben. Damit kommt Fahrlehrern/innen eine wichtige gesellschaftspolitische Aufgabe zu. Doch Fahrlehrer/innen können dieser Aufgabe nur dann fachgerecht nachkommen, wenn der Kreis derer, an die sich verkehrsbildende Maßnahmen wenden, eindeutiger als bisher abgegrenzt ist. Denn bildnerische Maßnahmen greifen nur dort, wo keine bewusste Inkaufnahme der Gefährdung des eigenen Lebens und des Lebens anderer vorliegt. Letztere muss als Störung der Persönlichkeitsentwicklung differenziert psychologisch diagnostiziert und therapiert werden. Im Kontext pädagogisch-andragogischer Überlegungen ist eine grundsätzliche Unterscheidung zwischen objektiver (unbewusster) und subjektiver (bewusster) Risikoübernahme aus pädagogisch-andragogischer Sicht unabdingbar geboten. Denn bildnerische Maßnahmen können nur dort wirksam sein, wo es sich um Teilnehmende handelt, die unter die pädagogisch-andragogischen Kategorien der Unerfahrenheit, Unsicherheit, Ängstlichkeit, unreflektierter Routine usw. einzuordnen sind. Diese Unterscheidung subsumiert daher z.B. Selbstüberschätzung nicht unter die Kategorie der Risikobereitschaft, sondern unter die der Unerfahrenheit bezüglich der Selbsteinschätzung, der Einschätzung von kritischen Situationen im Straßenverkehr.

Angeleitetes Erfahrungslernen in der Phase erster Eigenerfahrungen nach Führerscheinerwerb

Das Modell des Begleiteten Fahrens (BF 17) hat in ersten Auswertungen deutlich gezeigt, dass ein angeleitetes Erfahrungslernen nach Erwerb des Führerscheins sich ausgesprochen positiv auf die Kompensation von anfänglicher Unerfahrenheit, Unsicherheit usw. bezüglich der Gefahrenkontrolle im motorisierten Straßenverkehr auswirkt. Indes können nicht alle Fahranfänger das Modell BF 17 in Anspruch nehmen. Stattdessen werden Fahranfänger in der kritischen Phase erster Eigenerfahrungen zu oft mit der Folge alleine gelassen, dass sie sich in risikoreiche Situationen hineinbegeben, ohne dass ihnen dies bewusst ist bzw. sein kann. Leider wird derzeit die Fahrerfahrung nach Erwerb des Führerscheins zur vertiefenden Fahreraus- und Weiterbildung nicht hinreichend, d.h. systematisch und organisiert genutzt. Das ist umso bedauerlicher als sowohl in lernpädagogischer als auch in lernpsychologischer Sicht in den meisten Fällen ein fehlerhaftes Verkehrshandeln mit objektiv hohem Risikopotenzial nicht als solches wahrgenommen werden kann. Denn die meisten Fehlhandlungen bleiben ohne Negativfolgen (nicht alle Fehler geschehen auf einmal am selben Ort zur selben Zeit und die Mehrheit der Verkehrsteilnehmenden verhält sich vorausschauend) und verstärken so fatalerweise die Fehlhandlungen. Es wäre ethisch verwerflich, Fahranfängern Unfälle zu wünschen, damit sie aus Negativfolgen lernen. Stattdessen sind Fahranfängern Gelegenheiten zu wünschen, in denen sie ihre Fahrerlebnisse durch ein gezieltes Feedback ihrer Handlungen reflektieren können, in denen sie in der ersten Phase ihrer ersten Eigenerfahrungen gezielt auf ihre Verbesserungspotenziale aufmerksam gemacht werden. Erfahrungslernen im Straßenverkehr muss zukünftig zum Gegenstand formeller Lernprozesse erhoben werden. Die Deutsche Fahrlehrer-Akademie entwickelt vor diesem Hintergrund derzeit ein erweitertes Lernkonzept für Fahranfänger in Anlehnung an die Erfahrungen mit dem Modell BF 17. Sie plädiert dafür, allen Fahranfängern in der ersten Phase der Eigenerfahrungen die Chance zum Erfahrungslernen unter kontrollierten Bedingungen in einer zusätzlichen obligatorischen Ausbildungszeit zu bieten. Dabei werden aufgrund einer lernpädagogisch notwendigen Umstrukturierung der Inhalte - bestimmte Lerninhalte werden erst aufgrund bestimmter Erfahrungen erfassbar - die Kosten für eine Fahrerausbildung auf annähernd gleichem Niveau bleiben können.

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Zur Person

Prof. Dr. phil. Margret Fell ist seit 1985 Inhaberin des Lehrstuhls für Erwachsenenbildung und außerschulische Jugendbildung an der Katholischen Universität Eichstätt-Ingolstadt. Zuvor hatte Prof. Fell ab 1983 einen Lehrstuhl für Allgemeine Pädagogik an der Universität Trier inne. Ihre Arbeits- und Forschungsschwerpunkte sind: Lerneffektive Gestaltung von Bildungsräumen, Verkehrsandragogik, Dialogisches Führungshandeln und Dialogische Mitarbeiterführung, Betriebliche Gesundheitsförderung, Didaktik und Methodik der Erwachsenenbildung. Seit 1998 ist Prof. Fell in der wissenschaftlichen Begleitung und Mitarbeit bei der pädagogischen Weiterqualifizierung von Fahrlehrern tätig. Sie ist Mitglied des Wissenschaftlichen Beirates der Deutschen Fahrlehrer-Akademie e.V. und arbeitet dort in verschiedenen Arbeitsgruppen mit.

 

 Theoretische Fahrerlaubnisprüfung am PC: Bundesweite Einführung rückt näher

Artikel aus Newsletter Ausgabe 4, Dezember 2008

Marcellus KaupBild: Marcellus Kaup

Das Projekt „Optimierung der theoretischen Fahrerlaubnisprüfung“ ist unter Federführung der Bundesanstalt für Straßenwesen durch die Arbeitsgemeinschaft der Technischen Prüfstellen (arge tp 21) mit Unterstützung der Fachexperten des Verbandes der Technischen Überwachungsvereine (VdTÜV), der Bundesvereinigung der Fahrlehrerverbände e.V. und der Universität Potsdam vorangetrieben worden. Es wurde ein Reformvorschlag erarbeitet, der die Ablösung der Papierprüfung durch den PC vorsieht.

Dabei dient der PC als Prüfungsmedium in erster Linie nicht allein dem Zweck der Einführung moderner Technologien, sondern als Instrument, durch dessen Nutzung erst eine permanente Evaluation, also eine Analyse und Bewertung der verwendeten Aufgaben und somit eine stetige Qualitätsverbesserung möglich wird. Das hat das seit 2005 laufende Revisionsprojekt, in dem an 20 ausgewählten Standorten in Deutschland bisher fast 40.000 PC-Prüfungen ausgewertet wurden, bestätigt. Mit einer flächendeckenden Umsetzung wäre eine kontinuierliche Weiterentwicklung der Prüfungsfragen sichergestellt.

Mehr als nur ein Tausch der Medien 

Mittelfristig bietet die PC-Prüfung jedoch noch ein erheblich größeres Potenzial, das nach einer Einführung in einem weiteren Schritt umgesetzt werden könnte. Und zwar die Reduzierung des Erfahrungsdefizits junger Fahranfänger zu Beginn ihrer Fahrerkarriere durch die Erweiterung der prüfbaren Kompetenzen. Das Anfängerrisiko beruht im Wesentlichen auf dem Mangel an Erfahrung. Eine Verminderung dieses Erfahrungsdefizits der Fahranfänger kann dazu beitragen, die Verkehrssicherheit zu erhöhen.

Stichtag ist der 1. Januar 2010 

Die PC-Prüfung wird flächendeckend in Deutschland bis zum 01.01.2010 eingeführt. In einigen Bundesländern wird schon am PC geprüft, während in anderen Bundesländern momentan die erforderlichen Vorbereitungen zur Einführung laufen. Im Bereich des TÜV SÜD wird die Einführung in Bayern und Baden-Württemberg Anfang 2010 erfolgen, beim TÜV Hanse bereits ein Jahr früher.

Prüfungsteilnehmer: Positive Aufnahme 

Die bisher gemachten Erfahrungen während des Projektes sowie nach Einführung in einigen Bundesländern sind durchweg sehr positiv. Die Bewerber sehen den PC-Einsatz als modern und zeitgemäß an. Die Prüfung am PC wird überdies von allen Altersgruppen als angenehmer und in der Darstellung der Aufgaben übersichtlicher bewertet als die Papierprüfung. Mit Einführung der PC-Prüfung fügen wir den in jüngerer Zeit in Deutschland bereits verwirklichten Maßnahmen wie dem Begleiteten Fahren mit 17 oder der freiwilligen Zweiten Ausbildungsphase einen weiteren Baustein zur Senkung des hohen Unfallrisikos der jungen Fahranfänger im Sinne der Europäischen Charta für die Straßenverkehrssicherheit hinzu.

Marcellus Kaup

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Zur Person

Dipl.-Ing. Marcellus Kaup, Autor dieses Beitrages, ist Leiter der Technischen Prüfstelle Baden-Württemberg und Branchenmanager Fahrschulen der TÜV SÜD Auto Service GmbH mit Sitz in Filderstadt bei Stuttgart. Kaup und sein Mitarbeiterstab sind derzeit mit der Vorbereitung der Umstellung auf die PC Prüfung in Baden-Württemberg befasst, die nach seiner Überzeugung reibungslos verlaufen wird.

 

 Digitales Kontrollgerät - Überwachungsproblem gelöst? Ein kritischer Beitrag von MinRat a.D. Christoph Rang

Artikel aus Newsletter Ausgabe 4, Dezember 2008

Bild: MinRat a.D. Christoph RangChristoph Rang

Der alte Fahrtschreiber, vulgo auch Spion genannt, hat ausgedient. Heute müssen in den der EU-Regelung über Lenk- und Ruhezeiten unterliegenden Fahrzeugen digitale Kontrollgeräte eingebaut sein. Das sind Fahrzeuge zur Güterbeförderung mit einem zulässigen Gesamtgewicht, einschließlich Anhänger oder Sattelanhänger, von mehr als 3,5 Tonnen sowie Busse mit mehr als acht Fahrgastplätzen, für im Linienverkehr eingesetzte Busse allerdings nur bei Linienlängen von mehr als 50 Kilometern.

Warum digital? 

Wie kam es zu der Neuregelung? Hatte sich das bisherige Gerät mit Schaublatt, das auf eine Regelung aus dem Jahre 1985 zurückging, nicht bewährt? Darüber lässt sich streiten. Tatsache ist, treibende Kraft für die Einführung des vollelektronischen Kontrollgeräts war Frankreich. Dabei ging es um handfeste industriepolitische Interessen. Das freilich schließt Vorteile gegenüber dem herkömmlichen Gerät nicht aus, zumindest nicht aus Sicht der Kontrollbehörden (zuverlässigere Aufzeichnungen mit weniger Lücken und damit verbesserte Überwachungsmöglichkeiten).

Begrenzte Nachrüstungspflicht 

Grundsätzlich müssen digitale Kontrollgeräte nur in den Fahrzeugen eingebaut sein, die seit dem 1. Mai 2006 erstmals zugelassen wurden. Eine Nachrüstungspflicht für ältere Fahrzeuge gibt es nur in bestimmten Fällen. Inzwischen dürften mehr als 500.000 in der Bundesrepublik Deutschland zugelassene Lkw und Busse mit dem digitalen Kontrollgerät ausgerüstet sein (ca. 1/5 des Bestandes). In der Regel werden heute Neufahrzeuge nur noch mit digitalem Kontrollgerät ausgeliefert.

Fahrer und Betriebsleiter müssen kundig sein 

Fahrer und verantwortliche Betriebsleiter müssen sich mit der Funktionsweise digitaler Kontrollgeräte vertraut machen. Benötigt werden Kontrollgerätkarten (Chipkarten), und zwar Fahrerkarten und Unternehmenskarten. Die Fahrerkarte speichert die Fahreraktivitäten (Lenkzeiten, Unterbrechungs- und Ruhezeiten) der letzten 28 Tage. Die Fahrerkarte ist personenbezogen und muss deshalb bei jedem Wechsel des Fahrers auf ein anderes Fahrzeug mitgenommen werden. Im Übrigen gehört zum Gerät ein fest mit dem Fahrzeug verbundener Massenspeicher, der die Aktivitäten sämtlicher Fahrer, die das Fahrzeug benutzt haben, bis zu 365 Tage aufzeichnet.

Überwachungspflicht obliegt dem Betriebsleiter 

Es ist Aufgabe der verantwortlichen Betriebsleiter, die das jeweilige Unternehmen betreffenden Fahreraktivitäten zu überwachen. Das geschieht im Wesentlichen durch Einsatz der Unternehmenskarte, die das Auslesen der unternehmensbezogenen Fahreraktivitäten sowohl aus Fahrerkarten wie auch aus dem Massenspeicher ermöglicht. Grundsätzlich müssen die regelmäßig auszulesenden Daten für mindestens ein Jahr im Betrieb gespeichert werden. Ausdrucke aus der Fahrerkarte und/oder dem Massenspeicher sind in bestimmten Fällen obligatorisch, z.B. aus dem Massenspeicher bei defekter Fahrerkarte. Insbesondere werden Ausdrucke bei Verkehrskontrollen erforderlich bzw. auf freiwilliger Basis zur „Selbstüberwachung" oder auch zur betrieblichen Auswertung (Fuhrparkmanagement).

Foto: Siemens-Presse

Foto: Siemens-Presse  

Schwer verstehbare Ausdrucke? 

Viele Fahrer und auch Kontrolleure sagen, Ausdrucke aus digitalen Kontrollgeräten seien schlechter lesbar als das alte Schaublatt des Spions. Es handele sich unter Umständen um meterlange Streifen, die eine Vielzahl für den Fahrer weitgehend uninteressanter technischer Angaben enthielten, sodass die eigentlich interessierenden Angaben über Lenk- und Ruhezeiten erst einmal „gesucht" werden müssten.

Zuverlässig? 

Richtig ist: Die Aufzeichnungen der verbesserten Versionen des herkömmlichen Kontrollgeräts mit Schaublatt waren zuverlässiger als gemeinhin behauptet wird. Für die Aufzeichnungen des digitalen Geräts gilt eher das Gegenteil. Die von interessierter Seite vielgepriesene "Manipulationssicherheit" steht zumindest unter dem Vorbehalt, dass in der Informatik-Branche bekanntlich vieles, wenn nicht alles möglich ist. Im Übrigen wird das Grundproblem der Überwachung von Lenk- und Ruhezeiten auch durch das digitale Kontrollgerät nicht gelöst: Ruhezeiten entziehen sich einer automatischen Aufzeichnung. Der Fahrer kann das Gerät zwar auf RUHE stellen, was er während dieser Zeit tatsächlich macht, ist eine andere Sache.

Sind auch Fahrschulfahrzeuge betroffen? 

Last not least: Müssen auch Fahrschulfahrzeuge mit digitalen Kontrollgeräten ausgerüstet sein? EG-rechtlich nein. Die Durchführungsverordnung zum Fahrlehrergesetz schreibt aber vor, dass Fahrschulfahrzeuge der Klassen C1, C, D1 und D zu Ausbildungszwecken entweder mit einem herkömmlichen oder einem digitalen EG-Kontrollgerät ausgerüstet sein müssen. Die Art der Benutzung eines digitalen Geräts ist (noch) nicht ausdrücklich geregelt. Es ist aber davon auszugehen, dass etwaige vorhandene Fahrerkarten nicht gesteckt zu werden brauchen und dass stattdessen für jeden Fahrer zu Beginn und am Ende einer Ausbildungsfahrt Ausdrucke zu erstellen sind.

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Zur Person

MinRat a.D. Christoph Rang, Diplom-Volkswirt und Jurist, 75, leitete von 1983 bis 1998 das Referat für Sozialvorschriften, Gebührenrecht (sowie Fahrlehrerrecht bis 1995). Er ist seit 1985 mit einer Reihe viel beachteter Veröffentlichungen zum Fahrlehrerrecht, zu den Lenk- und Ruhezeiten im Straßenverkehr und zum Digitalen Kontrollgerät hervorgetreten.

 

 Fahrausbildung Behinderter - eine anspruchsvolle Aufgabe

Artikel aus Newsletter Ausgabe 4, Dezember 2008

Tomas CiuraBild: Tomas Ciura

Einige Daten und Fakten vorab: In Deutschland fahren heute ca. 600.000 mobilitätsbehinderte Menschen Auto. 165.000 Menschen erleiden pro Jahr einen Schlaganfall. In deutschen Krankenhäusern werden jährlich 1.000 neue Fälle von Querschnittlähmungen gezählt. Viele der Betroffenen wollen eine Fahrerlaubnis erwerben. Bereits vor dem Eintritt der Behinderung erteilte Fahrerlaubnisse sind erforderlichenfalls zu beschränken oder/und durch Auflagen zu ändern.

Hierfür sind häufig Fahrproben mit amtlich anerkannten Sachverständigen erforderlich. Liegt z.B. eine halbseitige Lähmung vor oder können die Pedale nicht mehr betätigt werden, bedarf es einer gründlichen Einweisung in die Handhabung eines adäquat zur Behinderung umgerüsteten Fahrzeugs. Die Bereitstellung eines geeigneten Fahrzeugs, dessen besondere technische Einrichtungen die Kompensation der Behinderung ermöglichen, ist von essentieller Bedeutung; dabei sind von Anfang an auch der Sachverstand und der Rat des in der Behindertenausbildung erfahrenen Fahrlehrers gefragt.

Vielfältiges Betätigungsfeld 

Neben den die Kraftfahreignung in Frage stellenden Mängeln der Gliedmaßen oder des Bewegungsapparates gibt es eine Reihe weiterer Einschränkungen, welche die Erlangung der Fahrerlaubnis erschweren. In Deutschland leben heute schätzungsweise vier Millionen Analphabeten. Wie kommen Fahrschüler zurecht, die nicht mit Zahlen umgehen können oder an Lese- und Rechtschreibschwäche leiden? „Dyskalkulie (Rechenschwäche, die Red.) und Legasthenie sind die häufigsten Teilleistungsstörungen, fünf Prozent aller Kinder leiden daran“, sagt Prof. Michael Schulte-Markwort vom Universitätsklinikum Hamburg. Hinzu kommt eine große Anzahl von Gehörlosen, die nur in der Gebärdensprache kommunizieren können. Auch viele dieser Menschen haben den Wunsch, eine Fahrerlaubnis zu erwerben. Das Betätigungsfeld für Fahrlehrer/innen im Handicap-Bereich ist weit und vielfältig. Freilich wäre wenig damit getan, nur ein Automatikfahrzeug mit Handbedienung für Gas und Bremse, linkem Gaspedal und Lenkraddrehknopf anzuschaffen. Denn die Fahrausbildung behinderter Menschen stellt besondere Anforderungen an die Fahrschule, die weit über schier technische Hilfen hinausgehen, so wichtig diese im Einzelfall auch sein mögen.

Der Berufsstand stellt sich dem Erfordernis 

Der Berufsstand hat dieses Erfordernis schon vor vielen Jahren erkannt und sich diesem gestellt. Die Bundesvereinigung der Fahrlehrerverbände e.V. hat deshalb den Arbeitskreis „Handicap“ eingerichtet, in dem auf diesem Gebiet versierte Fahrlehrer/innen mitwirken. Zuerst wurde ein Fragebogen entwickelt, der Grundlage für eine erste qualifizierte Datenerhebung über bestehende Behinderten-Fahrschulen in Deutschland war. Die so ermittelten Fahrschulen sind in einer stets aktuell gehaltenen Liste zusammengefasst, die über die Homepage der Bundesvereinigung, www.fahrlehrerverbaende.de, heruntergeladen werden kann (direkter Download der aktuellen Liste im PDF-Format). Zurzeit sind darin 155 Fahrschulen aus allen Teilen Deutschlands verzeichnet.

Darüber hinaus sind in den meisten Fahrlehrer-Landesverbänden Behindertenreferenten tätig, die im regionalen Bereich sowohl für die Behinderten als auch für die Fahrschulen kompetente Ansprechpartner sind. Die Deutsche Fahrlehrer-Akademie e.V. hat 1997 das Buch „Mobilitätsbehinderte und Kraftfahrzeug“ herausgegeben, das umfassend zum Thema informiert und als Standardwerk auf diesem Gebiet gilt. Das Werk ist bis auf wenige Exemplare vergriffen und soll in einer revidierten Fassung 2009 neu aufgelegt werden. Eine erste bundesweite Fortbildung für Behinderten-Ausbilder, Sachverständige und Verwaltungsangestellte der Führerscheinstellen wurde im Jahre 2000 unter Federführung des Hamburger Fahrlehrerverbandes durchgeführt. Das Verkehrsinstitut Bielefeld hat 2006 und 2008 mehrere dreitägige Fortbildungsseminare für Behindertenfahrlehrer angeboten, die allesamt ausgebucht waren.

Welche Voraussetzungen müssen Fahrlehrer/innen bzw. Fahrschulen erfüllen? 

Fahrlehrer/innen, die behinderte Menschen ausbilden wollen, müssen über eine hohe fachliche Qualifikation verfügen. Neben gut fundierter Didaktik sind medizinische und psychologische Grundkenntnisse erforderlich. Die Kenntnis der einschlägigen rechtlichen Terminologie ist ebenso wichtig wie das Wissen um Ressourcen der Hilfe und Unterstützung. Kontakte zu Umbaufirmen, Herstellern, Selbsthilfeorganisationen, Beratungseinrichtungen, Behörden und Prüforganisationen sind unerlässlich. Die Räumlichkeiten der Fahrschule müssen barrierefrei sein, und das Büropersonal sollte fachkundige Beratung bieten können. Erforderlichenfalls muss der/die Fahrlehrer/in in deutscher Gebärdensprache kommunizieren können. Das alles kann natürlich nicht von heute auf morgen aufgebaut und geboten werden. Man muss hineinwachsen. Aufgabe des organisierten Berufsstandes ist es, dafür helfend und unterstützend zur Seite zu stehen.

Das A und O: Qualifizierte Aus- und Fortbildung 

Ohne qualifizierte, zielgerichtete Aus- und Fortbildung ist die notwendige Spezialisierung zum Fahrlehrer für Behinderte ziemlich aussichtslos. Die organisierte Fahrlehrerschaft hat das erkannt und misst der Fahrausbildung Behinderter hohen Stellenwert zu. Es geht darum, diesen Mitmenschen eine verlässliche, qualitätvolle Ausbildung und Betreuung zu bieten.

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Zur Person

Tomas Ciura ist Fahrlehrer in Hamburg und seit mehr als 20 Jahren sehr erfolgreich in der Ausbildung Behinderter tätig. Er ist Behinderten-Beauftragter des Fahrlehrerverbandes Hamburg e.V. und Mitglied im Arbeitskreis „Handicap“ der Bundesvereinigung der Fahrlehrerverbände e.V.