Digitales Kontrollgerät - Überwachungsproblem gelöst? Ein kritischer Beitrag von MinRat a.D. Christoph Rang

Artikel aus Newsletter Ausgabe 4, Dezember 2008

Bild: MinRat a.D. Christoph RangChristoph Rang

Der alte Fahrtschreiber, vulgo auch Spion genannt, hat ausgedient. Heute müssen in den der EU-Regelung über Lenk- und Ruhezeiten unterliegenden Fahrzeugen digitale Kontrollgeräte eingebaut sein. Das sind Fahrzeuge zur Güterbeförderung mit einem zulässigen Gesamtgewicht, einschließlich Anhänger oder Sattelanhänger, von mehr als 3,5 Tonnen sowie Busse mit mehr als acht Fahrgastplätzen, für im Linienverkehr eingesetzte Busse allerdings nur bei Linienlängen von mehr als 50 Kilometern.

Warum digital? 

Wie kam es zu der Neuregelung? Hatte sich das bisherige Gerät mit Schaublatt, das auf eine Regelung aus dem Jahre 1985 zurückging, nicht bewährt? Darüber lässt sich streiten. Tatsache ist, treibende Kraft für die Einführung des vollelektronischen Kontrollgeräts war Frankreich. Dabei ging es um handfeste industriepolitische Interessen. Das freilich schließt Vorteile gegenüber dem herkömmlichen Gerät nicht aus, zumindest nicht aus Sicht der Kontrollbehörden (zuverlässigere Aufzeichnungen mit weniger Lücken und damit verbesserte Überwachungsmöglichkeiten).

Begrenzte Nachrüstungspflicht 

Grundsätzlich müssen digitale Kontrollgeräte nur in den Fahrzeugen eingebaut sein, die seit dem 1. Mai 2006 erstmals zugelassen wurden. Eine Nachrüstungspflicht für ältere Fahrzeuge gibt es nur in bestimmten Fällen. Inzwischen dürften mehr als 500.000 in der Bundesrepublik Deutschland zugelassene Lkw und Busse mit dem digitalen Kontrollgerät ausgerüstet sein (ca. 1/5 des Bestandes). In der Regel werden heute Neufahrzeuge nur noch mit digitalem Kontrollgerät ausgeliefert.

Fahrer und Betriebsleiter müssen kundig sein 

Fahrer und verantwortliche Betriebsleiter müssen sich mit der Funktionsweise digitaler Kontrollgeräte vertraut machen. Benötigt werden Kontrollgerätkarten (Chipkarten), und zwar Fahrerkarten und Unternehmenskarten. Die Fahrerkarte speichert die Fahreraktivitäten (Lenkzeiten, Unterbrechungs- und Ruhezeiten) der letzten 28 Tage. Die Fahrerkarte ist personenbezogen und muss deshalb bei jedem Wechsel des Fahrers auf ein anderes Fahrzeug mitgenommen werden. Im Übrigen gehört zum Gerät ein fest mit dem Fahrzeug verbundener Massenspeicher, der die Aktivitäten sämtlicher Fahrer, die das Fahrzeug benutzt haben, bis zu 365 Tage aufzeichnet.

Überwachungspflicht obliegt dem Betriebsleiter 

Es ist Aufgabe der verantwortlichen Betriebsleiter, die das jeweilige Unternehmen betreffenden Fahreraktivitäten zu überwachen. Das geschieht im Wesentlichen durch Einsatz der Unternehmenskarte, die das Auslesen der unternehmensbezogenen Fahreraktivitäten sowohl aus Fahrerkarten wie auch aus dem Massenspeicher ermöglicht. Grundsätzlich müssen die regelmäßig auszulesenden Daten für mindestens ein Jahr im Betrieb gespeichert werden. Ausdrucke aus der Fahrerkarte und/oder dem Massenspeicher sind in bestimmten Fällen obligatorisch, z.B. aus dem Massenspeicher bei defekter Fahrerkarte. Insbesondere werden Ausdrucke bei Verkehrskontrollen erforderlich bzw. auf freiwilliger Basis zur „Selbstüberwachung" oder auch zur betrieblichen Auswertung (Fuhrparkmanagement).

Foto: Siemens-Presse

Foto: Siemens-Presse  

Schwer verstehbare Ausdrucke? 

Viele Fahrer und auch Kontrolleure sagen, Ausdrucke aus digitalen Kontrollgeräten seien schlechter lesbar als das alte Schaublatt des Spions. Es handele sich unter Umständen um meterlange Streifen, die eine Vielzahl für den Fahrer weitgehend uninteressanter technischer Angaben enthielten, sodass die eigentlich interessierenden Angaben über Lenk- und Ruhezeiten erst einmal „gesucht" werden müssten.

Zuverlässig? 

Richtig ist: Die Aufzeichnungen der verbesserten Versionen des herkömmlichen Kontrollgeräts mit Schaublatt waren zuverlässiger als gemeinhin behauptet wird. Für die Aufzeichnungen des digitalen Geräts gilt eher das Gegenteil. Die von interessierter Seite vielgepriesene "Manipulationssicherheit" steht zumindest unter dem Vorbehalt, dass in der Informatik-Branche bekanntlich vieles, wenn nicht alles möglich ist. Im Übrigen wird das Grundproblem der Überwachung von Lenk- und Ruhezeiten auch durch das digitale Kontrollgerät nicht gelöst: Ruhezeiten entziehen sich einer automatischen Aufzeichnung. Der Fahrer kann das Gerät zwar auf RUHE stellen, was er während dieser Zeit tatsächlich macht, ist eine andere Sache.

Sind auch Fahrschulfahrzeuge betroffen? 

Last not least: Müssen auch Fahrschulfahrzeuge mit digitalen Kontrollgeräten ausgerüstet sein? EG-rechtlich nein. Die Durchführungsverordnung zum Fahrlehrergesetz schreibt aber vor, dass Fahrschulfahrzeuge der Klassen C1, C, D1 und D zu Ausbildungszwecken entweder mit einem herkömmlichen oder einem digitalen EG-Kontrollgerät ausgerüstet sein müssen. Die Art der Benutzung eines digitalen Geräts ist (noch) nicht ausdrücklich geregelt. Es ist aber davon auszugehen, dass etwaige vorhandene Fahrerkarten nicht gesteckt zu werden brauchen und dass stattdessen für jeden Fahrer zu Beginn und am Ende einer Ausbildungsfahrt Ausdrucke zu erstellen sind.

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Zur Person

MinRat a.D. Christoph Rang, Diplom-Volkswirt und Jurist, 75, leitete von 1983 bis 1998 das Referat für Sozialvorschriften, Gebührenrecht (sowie Fahrlehrerrecht bis 1995). Er ist seit 1985 mit einer Reihe viel beachteter Veröffentlichungen zum Fahrlehrerrecht, zu den Lenk- und Ruhezeiten im Straßenverkehr und zum Digitalen Kontrollgerät hervorgetreten.

 

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