Aufbauseminare: Kurskonzepte bedürfen des Nachweises wissenschaftlicher Grundlage

Artikel aus Newsletter Ausgabe 9, April 2011

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Als 1986 der Führerschein auf Probe eingeführt und die Fahrlehrer mit der Nachschulung der auffälligen Fahranfänger beauftragt wurden, konnte der Gesetzgeber auf erfolgreich verlaufene Modellversuche zurückgreifen.

Schon Mitte der 70er-Jahre hatten die Bundesvereinigung der Fahrlehrerverbände e.V. und einige ihrer Landesverbände ihre Mitglieder aufgerufen, sich den seinerzeit aufkeimenden Gedanken „Nachschulen ist besser als immer nur strafen!“ zueigen zu machen. In Zusammenarbeit mit renommierten Pädagogen und Psychologen wurden Kurskonzepte entwickelt und erprobt. In der Folge nahm eine beachtliche Anzahl von Fahrlehrerinnen und Fahrlehrern unter Aufwendung erheblicher eigener Mittel an zweiwöchigen Einweisungslehrgängen teil und erwarb so die Befähigung, Nachschulungskurse für auffällige Kraftfahrer zu leiten. Etwas später übernahm es der Deutsche Verkehrssicherheitsrat e.V. (DVR) in Zusammenarbeit mit der Bundesvereinigung der Fahrlehrerverbände e.V. und mit Unterstützung des Gesamtverbandes der Deutschen Versicherungswirtschaft (GDV), ein bundeseinheitliches Programm für die nun Aufbauseminare genannte Nachschulung zu entwickeln. Die langjährige Erprobung der von Wissenschaftlern erarbeiteten Programme und die vom DVR gewährleistete Programmpflege schienen seinerzeit dem Gesetzgeber Gewähr genug dafür zu sein, minderwertige Nachahmungen der Seminarprogramme abwehren zu können.

Durch den Beschluss des Verwaltungsgerichtshofs (VGH) Baden-Württemberg vom 5. Mai 2009 (AZ: 9 S 1711/08) wurde jedoch deutlich, dass die von Fahrlehrern zu leitenden Aufbauseminare für Fahranfänger (ASF) und für Punkteauffällige (ASP) nicht gegen pseudowissenschaftliche Machwerke geschützt sind. Anders bei den Psychologen; sie sind als Leiter der „besonderen Seminare“ für alkoholauffällige Kraftfahrer gesetzlich verpflichtet, ein „sachgerechtes, auf wissenschaftlicher Grundlage entwickeltes Seminarkonzept“ (§ 36 Absatz 6 Nr. 5 FeV) vorzulegen.

Das Urteil des VGH, das sich streng an bestehendes Recht hält und deshalb nicht kritisiert werden kann, legte den mangelnden konzeptionellen Schutz der von Fahrlehrern abzuhaltenden Aufbauseminare als ein Versäumnis des Verordnungsgebers offen. Obwohl die Großzahl der Seminarleiter beim langjährig bewährten Modell bleibt, wirkt sich die durch das Urteil bestätigte Zulässigkeit von „konkurrierenden“ Seminarkonzepten erschwerend und somit auch finanziell belastend auf die gesetzliche Überwachung der Aufbauseminare aus. Zugleich ist erhebliche Besorgnis darüber entstanden, dass Behörden ohne Weiteres darüber entscheiden, ob ein Seminarkonzept inhaltlich sowie hinsichtlich der pädagogischen und psychologischen Vorgehensweise für die Erreichung der in den §§ 2b StVG und 35 FeV genannten Ziele der Aufbauseminare geeignet ist. Im Interesse der Sicherung der Qualität der Aufbauseminare und des Schutzes der Seminarteilnehmer ist der Gesetzgeber angesichts des Mannheimer Urteils nun gefordert, umgehend durch rechtliche Maßnahmen sicherzustellen, dass nur wissenschaftlich geprüfte Seminarkonzepte für ASF und ASP zur Anwendung gelangen.

Professor Dr.-Ing. Klaus Langwieder

 

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